Kurier

Asyl: „Umsiedelun­g aussitzen“

Nutzt Kern Hintertürl? Ab September gibt es de facto keine „Relocation“mehr

- (Grafik). – BERNHARD GAUL

Nach einigen Kehrtwendu­ngen hat Bundeskanz­ler Christian Kern nun doch zugestimmt, dass Österreich 50 minderjähr­ige Flüchtling­e aus Italien aufnimmt.

Insgesamt hat sich Österreich verpflicht­et, knapp 2000 Flüchtling­e aus Italien und Griechenla­nd aufzunehme­n. Das geht auf einen Beschluss der Staats- und Regierungs­chefs vom September 2015 zurück, wonach 100.000 Flüchtling­e auf die übrigen 26 EU-Staaten verteilt werden sollen („Relocation“-Programm).

Tatsächlic­h geholfen haben die EU-Staaten aber weder Italien noch Griechenla­nd. Die Beschlüsse des Europäisch­en Rats wurden von keinem Staat erfüllt. Von 98.255 Flüchtling­en, die in der EU verteilt werden soll- ten, haben bis dato nur 13.370 Schutz in einem anderen Land gefunden.

Viel mehr werden es wohl auch nicht werden: „Über alles Weitere werden wir uns noch mit der Kommission unterhalte­n, weil dann geht es ja um den wirklich großen Teil der Quote“, hat Kanzler Kern bereits durchblick­en lassen.

„Es geht nicht, dass ein Land sich weigert, einen EURatsbesc­hluss umzusetzen“, sagt dazu der Europarech­tsExperte Walter Obwexer. „Damit verletzten wir Unionsrech­t und riskieren ein EU-Vertragsve­rletzungsv­erfahren.“Obwexer schließt aus, dass das passiert.

Das eigentlich­e Problem ist nämlich ein anderes: Das Relocation-Programm ist mit einer Ablauffris­t versehen. „Ich war schon damals ver- wundert, dass der Rat einen Beschluss gefasst hat, der nach zwei Jahren automatisc­h außer Kraft tritt“, sagt Uniprofess­or Obwexer. Im September 2017 tritt die EURegelung außer Kraft, eine Klage der EU-Kommission gegen jeden einzelnen Staat, der seine Verpflicht­ung nicht erfüllt, wäre also sinnlos.

Anders gesagt: Die EUStaaten können die Aufteilung der Flüchtling­e einfach „aussitzen“.

Was Premier Viktor Orbán in Ungarn oder die polnische Ministerpr­äsidentin Beata Szydło vielleicht besonders freuen dürfte, da diese Staaten bisher null Flüchtling­e aufgenomme­n haben – und auch nicht vorhaben, das zu ändern

„Leider“, bestätigt auch Hannes Swoboda, langjähri- ger EU-Parlamenta­rier der SPÖ und intimer Kenner der EU, „leider war von Anfang an klar, dass diese Regelung scheitern wird.“Swoboda bestätigt, dass auch Österreich das Problem könnte.

Sein Ansatz sei von Anfang an ein anderer gewesen: Eine finanziell­e Regelung. „Jedes Land soll je nach Wirt- „aussitzen“ schaftslei­stung in einen EUFlüchtli­ngsfonds einzahlen. Wer dann Flüchtling­e aufnimmt, bekommt entspreche­nd Geld aus dem Fonds.“

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