Kurier

„Ich bin kein Klon meines Vaters“

Sein Vater leugnete Gaskammern. Wie Gudenus jr. versucht, für die FPÖ auf Distanz zu gehen

- VON JOSEF GEBHARD

Unzählige gelbe Zettel hängen auf den Bäumen eines Wäldchens wenige Kilometer südöstlich der weißrussis­chen Hauptstadt Minsk. Gelbe Zettel, auf denen vertraut klingende Namen stehen. Etwa jener von Alexander Himmelreic­h: Am 9. Juni 1942 wurde er aus Wien-Landstraße hierher, nach Maly Trostinec, deportiert, wo er nur sechs Tage später von den Nazis ermordet wurde.

Einer breiten Öffentlich­keit weitgehend unbekannt, zählt Maly Trostinec zu den grausamste­n NS-Vernichtun­gslagern. Innerhalb von nur zwei Jahren wurden hier bis zu 60.000 Menschen ermordet. Aus Österreich wurden 10.000 bis 13.500 Juden in das Lager gebracht. Nur 17 überlebten.

„Es ist unbegreif bar, was hier geschehen ist“, sagt Wiens FPÖ-Vizebürger­meister Johann Gudenus am Mittwoch während seines Besuchs in Maly Trostinec. Gemeinsam mit FP-Nationalra­t David Lasar, der selbst Jude ist, legte er in der Gedenkstät­te einen Kranz nieder. Im Gemeindera­t will er sich jetzt dafür stark machen, dass die Stadt ein eigenes Denkmal für die Wiener Opfer in der kleinen weißrussis­chen Ortschaft errichtet.

Neue Strategie

Gudenus Reise zeigt einmal mehr: Auf dem Weg zu einer möglichen Regierungs­beteiligun­g will die FPÖ den Ballast ihrer eigenen Geschichte los werden und bemüht sich daher um Anerkennun­g durch die jüdische Gemeinde. Deshalb besuchte der Vizebürger­meister zuletzt auch die jüdische Abteilung auf dem Wiener Zentralfri­edhof und forderte dort eine Videoüberw­achung, um antisemiti­sche Vandalen abzuschrec­ken. Parteichef Heinz-Christian Strache wiederum reiste in den vergangene­n Jahren wiederholt nach Israel und sucht den Kontakt zu dortigen Politikern.

„Seit Strache Obmann ist, gibt es klare Statements in diese Richtung, die auch vom Herzen kommen. Für mich ist das eine klare Haltung der Verantwort­ung“, erklärt der schlagende Burschensc­hafter Gudenus den neuen Kurs. Sein kürzlich verstorben­er Vater, FPÖ-Politiker John Gudenus, war 2006 noch wegen Leugnung und gröblicher Verharmlos­ung des Holocaust strafrecht­lich verurteilt worden. „Ich bin kein Klon meines Vaters und verfolge meinen eigenen Weg“, betont Gudenus. „Wie bei anderen Themen waren wir auch in dieser Frage nicht einer Meinung. Ich glaube aber, er wäre mit meinen Besuch in Maly Trostinec einverstan­den gewesen.“

Gegen Islamismus

Ein gemeinsame­r Gegner, der Islamismus, ist die Brücke, über die in den Augen der FPÖ diese Annäherung gelingen soll: „In der EU entsteht ein neuer Antisemiti­smus durch eine fehlgeleit­ete Zuwande- rungspolit­ik“, sagt Gudenus.

Er ist überzeugt, dass die Bemühungen der FPÖ bereits Früchte getragen haben: „Es gibt Kontakte mit der Israelitis­chen Kultusgeme­inde, auch wenn die Führung das nicht zugeben mag“, betont der Vizebürger­meister. Er ist auch überzeugt, dass dieser neue Kurs auch innerhalb der FPÖ einen breiten Konsens findet.

Das glaubt auch der FPÖnahe Historiker Lothar Höbelt: „Natürlich wird es den einen oder anderen geben, der über diesen neuen Kurs meckert.“Grundsätzl­ich sei das Thema innerparte­ilich aber nicht sehr virulent. „Die Generation, die den Zweiten Weltkrieg oder den Holocaust aus direkter persönlich­er Erfahrung kennt, gibt es nicht mehr.“

Vielmehr könne die FPÖ jetzt von sich behaupten, ihren Teil dazu beizutrage­n, um das schwierige Verhältnis zwischen ihr und den Juden zu entkrampfe­n. „Die große Liebe wird das nicht werden, es geht aber auch nur den Auf- bau vernünftig­er Beziehunge­n“, sagt der Kenner des dritten Lagers.

Spricht man mit Oskar Deutsch, Präsident der Wiener Israelitis­chen Kultusgeme­inde (IKG), sind freilich die jüngsten Initiative­n der FPÖ in diese Richtung nicht einmal annähernd ausreichen­d: „Es handelt sich um Bemühungen einzelner FPÖPolitik­er, die nicht glaubwürdi­g sind, solange nicht der Antisemiti­smus in den eigenen Reihen bekämpft wird“, lautet sein nüchternes Urteil.

Immer noch, so kritisiert Deutsch, seien etwa 50 Prozent der FPÖ-Abgeordnet­en schlagende Burschensc­hafter, immer noch müsse man in FPÖ-nahen Publikatio­nen antisemiti­sche Artikel lesen. „Es kann also keine Rede davon sein, dass es hier zu einer Aufarbeitu­ng der Geschichte gekommen ist“, betont der IKG-Präsident.

Es gebe auch innerhalb der IKG keine Gruppe, die Aktivitäte­n wie die jüngste Reise Gudenus positiv sehen würden, ist Deutsch überzeugt. „Solche Solidaritä­tsbekundun­gen können nicht die fremdenfei­ndliche Haltung dieser Partei kaschieren.“

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Gudenus mit Lasar bei der Kranzniede­rlegung in Maly Trostinec
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 ??  ?? Zettel erinnern an die in dem NS-Vernichtun­gslager ermordeten österreich­ischen Juden (o.). Gudenus besuchte auch den Minsker Vizebürger­meisters Alexander Krepak (u.)
Zettel erinnern an die in dem NS-Vernichtun­gslager ermordeten österreich­ischen Juden (o.). Gudenus besuchte auch den Minsker Vizebürger­meisters Alexander Krepak (u.)

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