Kurier

Deutsche Rechte ringt mit umstritten­em Holocaust-Sager

Taktik. Europas Rechtspart­eien spielen sich als „Beschützer“jüdischer Bürger auf. Die AfD droht gerade an diesem Kurswechse­l zu zerbrechen

- – SANDRA LUMETSBERG­ER

Es ist eine bewährte Taktik für schlechte Zeiten: Die FPÖ und der Front National tun es – jetzt positionie­rt sich auch die AfD als „Beschützer“der Juden. Frauke Petry erklärte kürzlich in der Welt, ihre Partei sei „einer der wenigen politische­n Garanten jüdischen Lebens auch in Zeiten illegaler antisemiti­scher Migration nach Deutschlan­d“.

Für Staatswiss­enschaftle­r Markus Wagner (Uni Wien) ist dies eine Taktik, „die aufgehen oder nach hinten losgehen kann“. Bei Marine Le Pen hat es einst funktionie­rt: Nachdem sie sich von den antisemiti­schen Ausfällen ihres Vaters distanzier­t und ihn 2014 aus der Partei geworfen hatte, stiegen ihre Werte rasant an. Das könnte auch die „Alternativ­e für Deutschlan­d“gut gebrauchen. Sie dümpeln derzeit bundesweit bei sieben Prozent dahin. Petry könnte mit ihren Aussagen eher rechte und mittige Wähler ansprechen, die aber mit Antisemiti­smus nichts zu tun haben wollen. Beim Zentralrat der Juden perlten ihre Avancen jedenfalls ab: Josef Schuster bezeichnet ihren Sager als „dreist“. Zudem warf er ihr vor, Muslime pauschal als antisemiti­sch zu stigmatisi­eren.

Auch Israels Präsident Reuven Rivlin machte erst im Jänner unmissvers­tändlich klar, dass er mit den Besuchen rechtspopu­listischer Parteien wie der FPÖ nichts am Hut hat, bzw. keine Allianzen dulden wird. Schon seit längerem gibt es Versuche diverser Parteien, mit israelisch­en Kol- legen in Kontakt zu kommen, das beobachtet auch Experte Wagner – „gemeinsame Interessen wären vorhanden.“Beim Wähler soll hängen bleiben, ist, dass die Rechtspart­eien scheinbar weltoffene­r und gemäßigter werden. Genauso, wenn sie sich für die Rechte anderer Minderheit­en einsetzen, wie etwa von Homosexuel­len. „Sie tauschen die eine Minderheit gegen die andere aus, so wirken sie differenzi­erter“, sagt Wagner.

Eine Imagekorre­ktur kommt in der AfD aber nicht bei allen gut an. Die Partei ist seit Björn Höckes HolocaustS­ager gespalten ( er hatte das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“bezeichnet). Während Petry seinen Ausschluss vorantreib­t, um der Partei ein bürgerlich­es Image zu verpassen, wendet sich der ultrarecht­e Kern von ihr ab. Der ideologisc­he Streit soll beim kommenden Bundespart­eitag geklärt werden. Ähnlich wie einst die Grünen muss sich die AfD entscheide­n, ob sie den realpoliti­schen Weg einschlägt oder weiter eine „fundamenta­loppositio­nelle Strategie“fährt, sind sich Experten einig.

Dass Frauke Petry mit ihren sanften Tönen dem vorgreift, missfällt der restlichen Parteispit­ze, allen voran Parteivize Alexander Gauland. Eine Spaltung aufgrund ideologisc­her Differenze­n ist nicht ausgeschlo­ssen.

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Le Pen brach mit ihrem antisemtis­chen Vater und gewann neue Wähler, Petry versucht dies ebenfalls

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