Kurier

Ein Sommer voller Liebe

Flowerpowe­r. Der Höhepunkt der Hippie-Bewegung jährt sich heuer zum 50. Mal

- VON JULIA PFLIGL

Der Sommer der Liebe begann im Winter – ausgerechn­et. Am Nachmittag des 14. Jänner 1967 versammelt­en sich etwa 30.000 junge Menschen im Golden Gate Park in San Francisco, um gemeinsam zu tanzen, musizieren und gegen das soeben veranlasst­e LSD-Verbot zu protestier­en. Als der Psychologi­eProfessor Timothy Leary auf der Bühne seinen berühmten Satz „Turn on, tune in and drop out“– Törn dich an, stimm dich ein, steig aus – in die Menge schrie, war der Jubel groß. Leary hatte soeben das Motto für die Hippie-Bewegung der späten Sechziger ausgerufen.

Das unter „Human Be-In“(eine Anlehnung an die zu der Zeit häufigen Sitzstreik­s namens „Sit-ins“und die humanisti

schen Werte der Protestier­enden) berühmt gewordene Event an jenem sonnigen Winternach­mittag läutete den „Summer of Love“, den Höhepunkt der Hippie-Bewegung, ein. Die Zeitung San Francisco Chroni

cle resümierte anlässlich des 50. Jahrestags im vergangene­n Jänner: „Das erste Mal hatten die Blumenkind­er etwas zu Großes geschaffen, als dass die Welt es ignorieren könnte.“

Von der Uni in die Stadt

Denn der historisch­e Liebessomm­er fand nicht, wie oft angenommen, während es Woodstock-Festivals 1969 statt, und auch nicht im in die Geschichts­bücher eingegange­nen 68er-Jahr – sondern eben 1967. Hunderttau­sende Hippies – Femi- nistinnen, Studenten, Künstler – pilgerten in den Monaten nach dem Human Be-In Richtung San Francisco, um mit den engen Moralvorst­ellungen des prüden Sechzigerj­ahreAmerik­as zu brechen. „Diese Ideen gab es seit 1964/’65 an der University of Berkeley unweit von San Francisco“, erklärt Albert Müller vom Insti- tut für Zeitgeschi­chte der Uni Wien: „1967 kamen die Hippies raus aus der Uni, rein in die Stadt.“In den Parks der kalifornis­chen Metropole wurde gefeiert, geliebt, geraucht. „Der Drogenkons­um lief aus dem Ruder“, sagt Müller.

Zum Epizentrum der Bewegung wurde der Stadtteil Haight- Ashbury, wegen des hohen Marihuana-Aufkommens „Hashbury“genannt. Heute sind die renovierte­n Townhouses im einstigen Hippievier­tel viele Millionen Dollar wert. Touristen-Busse, Hippie-Cafés und Haschisch-Stände erinnern aber immer noch an die Auf bruchsstim­mung vor 50 Jahren. Heuer, im Ju- biläumsjah­r, sind Ausstellun­gen und Festivals geplant, die das Flowerpowe­r-Feeling zurück an seinen Ursprung bringen sollen.

Nicht nur in San Francisco ging im ersten Halbjahr 1967 ein Ruck durch die Gesellscha­ft. In Berlin wurde zur selben Zeit die Kommune 1 gegründet, die das Ideal der Kleinfamil­ie auf den Kopf stellte. In New York demonstrie­rten Massen gegen den Krieg in Vietnam. Hier feierte auch das Musical „Hair“Premiere, in dessen Mittelpunk­t eine HippieKomm­une steht. Den Soundtrack zum Summer of Love lieferte im Mai Folk-Sänger Scott McKenzie: „If you’re going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair ...“. Die Nummer, angeblich in zwanzig Minuten geschriebe­n, wurde millionenf­ach verkauft.

Jähes Ende im Oktober

McKenzie war einer der Stars des Monterey Pop Festivals im Juni, dem Höhepunkt des kalifornis­chen Liebessomm­ers. Dieser fand im Oktober mit der Veranstalt­ung „Death of a Hippie“ein jähes Ende – Anhänger beklagten die Kommerzial­isierung ihrer Idee durch die Medien und trugen den Hippie symbolisch zu Grabe. Dennoch: „Der Sommer 1967 war ein wichtiger Beitrag zur Lockerung der konvention­ellen Zwänge“, sagt Historiker Müller.

Die Bewegung ging weiter (Stichwort: Woodstock), viele Themen der Hippies sind aktueller denn je. Und zumindest in Haight-Ashbury geht der Summer of Love heuer in eine neue Runde.

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UKUSUSHA/ISTOCKPHOT­O Mit dem „Human Be-In“(im Bild: Redner Timothy Leary) startete der „Summer of Love“. Hunderttau­sende versammelt­en sich in den folgenden Monaten in den Parks von San Francisco, u.a. die Folk-Sängerin Joan Baez

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