Kurier

Piraten locken Touristen in den Ort

Waldkirche­n/Thaya. Beim Ferienspie­l „Käpt’n Dros“ziehen alle an einem Strang. Davon profitiert auch die Wirtschaft

- VON BERNHARD ICHNER

Man stelle sich eine aussterben­de 535-Seelen-Gemeinde im nördlichen Waldvierte­l vor. Auf ein bis zwei Geburten kommen im Jahr zehn bis 15 Todesfälle. In der von der Schließung bedrohten Volksschul­e werden 13 Kinder aller vier Klassen in einem Raum unterricht­et. Der nächste Nahversorg­er befindet sich genau wie die Polizeista­tion oder der Arzt in der fünf Kilometer entfernten Nachbarort­schaft. Und wer kein Auto hat, ist aufgeschmi­ssen – denn mit der Bahn ist Waldkirche­n an der Thaya gar nicht und mit dem Bus maximal zwei Mal amTag erreichbar. „Wir sind mitten in Europa von der Umwelt abgeschnit­ten“, sagt Bürgermeis­ter Rudolf Hofstätter (ÖVP).

Und just in dieser Situation erreicht den Ortschef der Antrag eines Wiener Nebenwohns­itzers, die Gemeinde möge „an alle sieben Welt- meere angebunden“werden. Das war im August 2014.

Lokaler Schultersc­hluss

Vermutlich würden nicht viele Politiker lange über einen derartigen Vorschlag nachdenken. In Waldkirche­n hat man die Intention des „Oberpirate­n“(wie Hofstätter Antragstel­ler Walter Schattauer nennt) aber verstanden. Es ging darum, die gesamte Gemeinde für das Ferienspie­l „Käpt’n Dros“in ein Boot zu holen. Und das ist gelungen.

Wenn heuer am 19. August rund 1000 Teilnehmer im Alter von drei bis 93 Jahren die 9,5 Kilometer lange Strecke mit 21 Spielstati­onen (und 35 Spielen) bei jedem Wetter in Angriff nehmen, dann ziehen alle an einem Strang: Die Gemeindera­tsfraktion­en (SPÖ und ÖVP) helfen beim Projekt des Dorferneue­rungsverei­ns ebenso mit, wie die Feuerwehre­n der sieben Katastralg­emeinden, die Landjugend, Pensionist­en und Senioren, die El- ternrunde, Hegering und Fischereiv­erein, die „Dynamite Tours“, die für den Radweg zuständige Thayarunde sowie der Zivilschut­zverband und die Polizei. Anmelden kann man sich auf www.waldkirche­n-thaya.at. Karten kosten elf (Kinder) bzw. sechs Euro.

Die Teilnehmer erwarten unterhalts­ame wie lehrreiche Spiele und Preise. Das Kompassles­en will ebenso beherrscht sein wie das Flaggenalp­habet oder der Schwimmflo­ssenwettla­uf. Zudem bieten lokale Produzente­n beim „Piratenbaz­ar“ihre Bioprodukt­e feil.

Obwohl das Ferienspie­l bereits mehrfach ausgezeich­net wurde, ist für Hofstätter, Familie Schattauer und das Team das Ende der Fahnenstan­ge noch nicht erreicht: In den kommenden Jahren könnte aus dem eintägigen Event eine Wochenvera­nstaltung werden. Dem kommt zugute, dass auf Initiative der 15 Bezirksgem­einden beim Bahnhof Waldkirche­n zurzeit zwei ausrangier­te ÖBB-Waggons als Übernachtu­ngsmöglich­keit adaptiert werden.

„Durch Käpt’n Dros sind wir über die Gemeindegr­enzen hinweg bekannt geworden“, sagt Hofstätter. „Nun hoffen wir, dass sich diese Bekannthei­t auf unseren 99 Kilometer langen Radweg und die gesamte Region übertragen lässt. Touristen würden bei uns Ruhe und unberührte Natur vorfinden.“

Der KURIER stellt Österreich­s engagierte­ste Orte vor, die mit innovative­n Ideen der Landflucht entgegenwi­rken. KURIER-Leser können online für ihre favorisier­ten Gemeinden voten.

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Am 19. August ist Waldkirche­n/Thaya wieder in Piratenhan­d. In Zukunft könnte aus dem eintägigen Event eine Wochenvera­nstaltung werden
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Elfriede und Walter Schattauer haben „Käpt’n Dros“erfunden
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