„Der Jedermann hat kein falsches Gebiss“
Interview. Peter Simonischek erhält die Platin-ROMY 2017. Und spricht über die Momente der Liebe beim Schauspielen
Er ist Rekord-„Jedermann“: Niemand hat die Paraderolle der Salzburger Festspiele so oft gegeben wie Peter Simonischek, von 2002 bis 2009 insgesamt 108-mal. Ein weiterer -mann machte Simonischek zuletzt noch berühmter: Für den Film „Toni Erdmann“, in dem Simonischek als Vater mit falschem Gebiss und Käsereibe um die Aufmerksamkeit seiner Tochter kämpft, war sogar der Auslands-Oscar in Sichtweite.
Derzeit dreht der gebürtige Grazer (Jahrgang 1946) eine internationale Produktion auf Englisch – und macht dafür Stimmübungen mit dem Smartphone, erzählt Simonischek beim KURIER-Interview. Der Anlass: Bei der 28. KURIER ROMY Gala am 22. April in der Hof burg wird Simonischek mit der Platin-ROMY für herausragende Leistungen geehrt (live ab 21.10, ORF2). KURIER: Ist der internationale Dreh ein Anschub nach „Toni Erdmann“gewesen? Peter Simonischek: Ich denke, ja. Man lernt über Jahre viele Menschen kennen, aber nach so einem Film denken sich dann doch mehr ,Ach, stimmt, da wäre Simonischek doch der Richtige‘. Und so kommt es, dass ich jetzt mit Thomas Vinterberg drehe. Es geht um einen Film über die Tragödie der Kursk. Ein Atom-U-Boot, gesunken im Jahr 2000, ganz knapp nach dem Amtsantritt von Putin. Eine internationale Rettungsflotte stand bereit. Aber die Russen haben sie nicht rangelassen. Und die jungen Männer an Bord sind erstickt. Bei Ihnen sind die verschiedenen Arten, Schauspieler zu sein, in Film, Bühne, Fernsehen, anscheinend gleichberechtigt – was selten ist.
Ich habe das schon früh parallel betrieben. Drehen macht mir großen Spaß, wenn es mit den richtigen Leuten ist. Beim Theater bleibt der nomadische Teil in einem unbefriedigt. Zuhause – Probebühne – Theater – Vorstellung – Kneipe – Zuhause. Und das mit einer gna-
denlosen Monotonie. Das Tolle ist beim Film, dass man an Orte kommt, an die man sonst nicht kommt. Und dort ist dann alles organisiert. Wir haben einmal tagelang im Dschungel gedreht. Oder auf den Malediven zu drehen. Das ist toll. Der Kursk-Film wird wohl nicht in Russland gedreht.
Nein (lacht). Die Russen haben keine Freude mit dem Film. Ich darf nicht einmal so heißen wie der, den ich spiele. Wir drehen in Frankreich und im Studio. Und ich drehe noch einen weiteren Film in der Slowakei, ein ganz tolles Buch. Das ist das greifbare Ergebnis des Erfolges von „Toni Erdmann“. Ein Unterschied zum Theater ist wohl: Wenn ein Film fertig ist, kann man etwaigen Erfolg genießen.
Das ist sehr angenehm. Man kann unbeschwert sagen: Schau dir den doch an. Und man weiß, was derjenige zu sehen kriegt. Und man kann sich sogar dazusetzen. Wenn beim Theater ein Freund sagt, an dem und dem Tag bin ich im Publikum, hat man das leider beim Spielen im Hinterkopf. Ich glaube, so geht es allen Schauspielern. Manchmal geradezu obsessiv: Wenn Sie an alles denken dürfen, nur nicht an ein blaues Krokodil, woran denken Sie dann? Richtig. Sind Ihnen die vielen Preise wichtig, die der Film gewonnen hat?
Demut ist mir kein Fremdwort. Aber wenn man für den Oscar nominiert ist, ist man ein potenzielles Opfer. Entweder Sie gewinnen ihn – oder Sie gehören zu den Verlieren. Beim Schweizer Film- preis gibt es schon für die Nominierung ordentliches Geld. Das finde ich human, eine Art Trostpflaster für die Enttäuschung. Und es ist eine Enttäuschung gewesen. Man ärgert sich dann doch, ich ärgere mich ja sowieso gerne. (lacht) Obwohl man ja sagen muss: Beim Oscar unter den fünf Nominierten zu sein ist arithmetisch eine Sensation. 85 Länder schicken ihr bestes Produkt da hin. 85! Aber man kann gar nicht umhin zu sagen: Der lange Arm des Blondschopfes aus der USA reicht in dem Fall wirklich bis hierher. Weil es klar war, dass der iranische Film gewinnt, als der Regisseur nicht einreisen durfte.
So ist es. Ich habe gesagt: Wenn wir ihn nicht kriegen, haben wir zumindest eine gute Ausrede.