Kurier

Wäre ich Politiker geworden“

Verbergen muss und wann es zu euphorisch­en Momenten kommt

- (lacht)

man spontan auf Überraschu­ngen reagieren. Und dann wird es lebendig. Das kann sogar so weit gehen, dass ich so gerührt und getroffen bin von dem Glück, dass das zusammen möglich ist, dass ich euphorisch bin. Ist das oft passiert?

Mit ganz bestimmten Leuten besonders. Mit anderen, die aber nicht als schlechte Schauspiel­er gelten, gar nicht. Es gibt Kollegen, die ziehen ihr Programm durch, und es ist völlig egal, wer gegenüber sitzt. Gerade auf der Bühne. Im Film geht das nicht. Film lebt ausschließ­lich vom lebendigen Moment. Im Film können Sie nichts faken, das sieht man immer. Und wenn es nicht gefaket ist, macht es Wusch! Und es geht auf. Jeder Moment, an dem Sie das Leben zu fassen kriegen, an einer Haarlocke, am Ohr, ist ein Moment der Liebe. Ich sage das auch auf das Risiko hin, sentimenta­l zu wirken. Der Moment geht direkt ins Herz. Und es ist mein Beruf, den Moment zu suchen und zu finden. Zuletzt waren Sie so präsent wie nie zuvor. Unangenehm?

Der größte Effekt ist schon der, dass es gute Angebote gibt. Und niemand wird Schauspiel­er, damit ihn niemand erkennt. Man muss eher aufpassen, dass man nicht sauer wird, wenn man nicht erkannt wird! Oder zu sehr auf eine Rolle festgelegt wird, wie den Mann mit dem falschen Gebiss.

Ach, da habe ich ja noch einen Vorläufer: Der Jedermann hat kein falsches Gebiss. Aber es stimmt, ich kenne die Gefahr. Gerade im deutschspr­achigen Raum gibt es tolle Schauspiel­er, wie Horst Tappert, der den Derrick gespielt hat. Der war ganz schwer als etwas anderes vorzustell­en. Dann kannst du nicht mehr als Claudius auf die Bühne gehen. In England ist es kein Problem, dass Kevin Spacey in „House Of Cards“auftritt und auf der Theaterbüh­ne. Als Richard III. oder Prospero. Soll Theater uns etwas über unser Leben sagen, hat es eine gesellscha­ftliche Aufgabe?

Ja, das ist mir schon wichtig, obwohl es nicht die ursprüngli­che Aufgabe von Theater ist, zu agitieren. Aber eine bestimmte Wirkung erhofft man sich schon. Ich bin allerdings jemand, der gerne darauf setzt, dem Publikum eine Mündigkeit zuzutrauen. Dass das Publikum Lust am Ablesen, am Dahintersp­üren hat. Eine Interpreta­tion dem Publikum aufs Auge zu drücken, das gefällt mir überhaupt nicht. Ich halte sehr viel davon, dem Zuschauer ein Angebot zu machen. Und das so verführeri­sch und unterhalts­am zu machen, dass er gerne dabei ist. Und trotzdem auswählen kann, was zu ihm spricht. Ist Theater präsent genug in den öffentlich­en Diskussion­en?

In Wien gibt es immer noch einen Standortvo­rteil. Das merkt man, wenn man lange in Deutschlan­d gespielt hat. Da gibt es teils große Schwierigk­eiten mit den Auslastung­en. Und hat man ein Publikum einmal verloren, ist es sehr schwer, es wiederzube­kommen. Das Theater muss mit so vielem anderen konkurrier­en, Musical, Film, Fernsehen, Sportveran­staltungen, Popkonzert­en. Geht es Ihnen beim Spielen um Wahrheit?

Ich bin ein großer Freund der Wahrheit. Sie ist ein wichtiger Baustein für die Freiheit, die wir genießen. Wenn ich Spaß an der Lüge hätte, wäre ich Politiker geworden.

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