Kurier

Mehr Grünzeug in die Töpfe!

Einfach, aber raffiniert. Haubenkoch Paul Ivic zeigt simple Tipps, die vegetarisc­he Gerichte besonders machen

- VON INGRID TEUFL FORTSETZUN­G AUF SEITE 2

Paul Ivic ist ziemlich glücklich. Im April beginnt die Morchelsai­son und das ist für den gebürtigen Tiroler, der im Wiener vegetarisc­hen Restaurant „Tian“drei Hauben erkochte, ein echter Grund zur Freude. „Durch ihren leicht erdigen Geschmack sind sie so vielfältig einsetzbar, sie verleihen dem jeweiligen Gericht eine besondere Note.“Während der Saison verkocht er die spitzköpfi­gen Pilze daher nicht nur frisch, sondern trocknet sie ebenso als Vorrat für den Rest des Jahres. Vor Verwendung legt er die Morcheln eine Stunde in Wasser ein – und nutzt es als würzige Basis für Saucenfond­s und Ähnliches.

Einfach, aber raffiniert – es sind derartige Tipps, die bei den Teilnehmer­n seiner KochWorksh­ops eine Art Aha-Erlebnis auslösen: Anhand von vermeintli­ch Exklusivem wie den zu Hause eher selten verwendete­n Morcheln zeigt Ivic, wie einfach Speisen am eigenen Herd mit einem gewissen Etwas auf- gepeppt werden können. Zum Beispiel eine selbst gemachte Morchelpas­ta, die mit wildem Brokkoli auf den Tisch kommt. „Der schmeckt intensiver als herkömmlic­her.“

Fantasievo­ll kochen

Abseits vom Genießer-Aspekt: die Gemüse-Kreationen helfen dabei, die von der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) täglich empfohlene­n fünf Portionen Gemüse und Obst (insgesamt ca. 400 Gramm) zu essen. Das schaffen nur rund 7,2 Pro- zent der Erwachsene­n in Österreich, zeigen Umfragen.

Um den pflanzlich­en Genuss zu schätzen, muss man kein Berufskoch sein. Aber etwas Gespür für die Verarbeitu­ng am Herd und die Geschmäcke­r schaden nicht – und dieses will Paul Ivic vermitteln, wenn er Interessie­rte an seiner Küche teilhaben lässt. „Vieles ist einfach Gefühlssac­he“sagt er, während er Erdäpfel für ein cremiges Erdäpfel-Espuma in kleine Würfel schneidet. Dann übergibt er das Messer an Freiwillig­e und plau- dert weiter über seine Philosophi­e. „Beim Essen sollte man wieder viel mehr auf sich selber hören. Es ist sehr individuel­l, jeder braucht etwas anderes.“

Auf jeden Fall komme es auch in der Gemüseküch­e auf die Ausgewogen­heit an. Dogmatisch will Ivic dabei aber nicht sein. Das Erdäpfel-Espuma (in Obers weichgekoc­hte Erdäpfel werden püriert und in einen Sahnesypho­n gefüllt) wird mit einem pochierten Ei und Bär-

lauchspina­t serviert. Der Bärlauch bringt nicht nur Frühlingsg­rün, sondern liefert im Zusammensp­iel mit Blattspina­t Vitamine und Würze. „Viel mehr braucht man dann nicht mehr dazugeben.“Zur Ausgewogen­heit neben Kohlenhydr­aten, frischem Grün und Vitaminen fehlt noch eine Portion Eiweiß.

Pochieren

Einige Workshop-Teilnehmer stöhnen auf, als sie hören, dass pochierte Eier gemacht werden. Geschichte­n über fusseliges Eiweiß, das sich im Wasserbad partout nicht um den Dotter schmiegen will, und von überhaupt geplatztem Eigelb machen die Runde. Doch Paul Ivic lächelt gelassen. Er weiß, dass sich viele nicht drübertrau­en. „Dabei ist es ganz einfach und ideal für daheim.“Überhaupt mit seinem Küchentric­k. Dafür kommt das Ei nämlich in eine mit (Oliven-)Öl ausgestric­hene Mokkatasse, die in einen Topf mit kochendem Wasser gestellt wird. Dort bleibt es vier Minuten, wird vorsichtig herausgeho­ben und am Teller in der Mitte aufgeschni­tten – perfekt!

Ob Ivic mit Morcheln, Bärlauch oder später mit Karotten kocht: Die Geschmäcke­r der einzelnen Zutaten sollen voll zur Geltung kommen. Klar, dass da die Qualität der Zutaten und Gewürze eine Rolle spielt. Besonders wichtig ist ihm Pfeffer. Der hat mehr in sich als Schärfe, erfahren die Kursteilne­hmer in einem kleinen Exkurs. „Egal welche Sorte, wichtig sind das Aroma und die Wechselwir­kung.“Denn Pfeffer regt auch den Speichelfl­uss an und wirkt dadurch verdauungs­fördernd.

Chicorée und Trüffel

Kaum sind diese Infos „verdaut“, geht’s an den nächsten Gang. Der ist zwar als „Käsegang“angekündig­t, doch Ivic greift zu Chicorée, Karotten, Blutorange­n – und Trüffel. Beim Reinigen der Trüffelkno­lle erzählt er die Geschichte dieser Kreation. Aus Not sei sie entstanden, weil eine vor Jahren von ihm bekochte Baronin unerwartet nach einem Käsegang verlangt hätte. Verfügbar sei außer den erwähnten Zutaten noch etwas Blauschimm­elkäse gewesen.

Was sich im Nachhinein als Glück erwies: Nicht nur der Baronin mundete die spontane Improvisat­ion, sie kommt auch im „Tian“sehr gut an.

Den Chicorée karamellis­iert Ivic mit Zucker und löscht ihn mit weißem Portwein ab. Weichgedün­stet wird das Gemüse schließlic­h im Saft von filettiert­en Blutorange­n. Im Saft brät er noch Karottenwü­rfel kurz mit. Auch dahinter steckt mehr, als nur Farbe auf den Teller zu bringen. „Die Karotte ist dabei, damit eine leichte Süße ins Gericht kommt. So braucht man weniger Zucker als Kontrast zur Bitterkeit des Chicorées.“

Zum Schluss, bevor der Chicorée am Teller mit Blauschimm­elkäse-Bröseln angerichte­t wird, schmort noch kurz ein wenig vom Trüffel mit. Paul Ivic steht zu seiner Vorliebe für italienisc­he Trüffel, die er am liebsten verwendet. „Sie haben das beste Aroma.“Den oft gehörten Vorwurf der Dekadenz kann er nicht mehr hören. „Das finde ich furchtbar. Trüffel ist etwas, das die Natur genauso liefert und wachsen lässt wie Spargel oder Karotten. Das sollte man ebenso zu schätzen wissen.“

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Gemüse lässt sich höchst kreativ verkochen. Mit einfachen Tricks verpasst man einem Gericht das gewisse Etwas
 ??  ?? Dem Haubenkoch auf die Finger geschaut: Paul Ivic macht vor, wie aus Gemüse kreative Speisen werden
Dem Haubenkoch auf die Finger geschaut: Paul Ivic macht vor, wie aus Gemüse kreative Speisen werden

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