Kurier

Mythos Volkswagen

FANS ERZÄHLEN: MEIN ERSTER KÄFER TROTZ SKANDAL: ERSTMALS WELTMARKTF­ÜHRER PIËCH WIRD 80: DER VERFEINDET­E CLAN

- VON (glänzender, kleiner Käfer) – MITARBEIT: J. PFLIGL – M. PATSALIDIS, I. TEUFL GABRIELE KUHN

Fips, Würgli oder Sunshine-Express: Nein, das sind nicht die Namen von Hund, Katz’ oder einem Baywatch-Remake, sondern die sozialroma­ntischen Bezeichnun­gen diverser Automobile, Marke VW. Wo es um den ersten Käfer oder den Golf geht, ist viel Sentiment. Mit Liebe zu vergleiche­n, die einmal war. Im ersten Käfer ging es endlich in die weite Welt hinaus, die damals am Wurzenpass begann. Mit dem ersten Golf wurde die Fantasie von Freiheit und Abenteuer ein Stück greif barer. Zudem galt gerade der Käfer nicht nur als günstig und zuverlässi­g, sondern als Sympathiet­räger, über dessen Aussehen der deutsche Designprof­essor Lutz Fügener einmal sagte: „Diese gefällige wiedererke­nnbare Form, die freundlich ist. Das Kindchensc­hema mit großen Augen, das den Beschützer­instinkt weckt.“Mit über 21,5 Millionen Fahrzeugen war der Käfer bis zu seinem Produktion­sende im Jahr 2003 das meistverka­ufte Automobil der Welt, nur übertroffe­n vom VW Golf. Obwohl seine Geburtsstu­nde umschattet ist – die ursprüngli­che Idee des „Volkswagen­s“kam von den Nationalso­zialisten. Seine eigentlich­e Karriere begann aber erst nach dem Krieg, als die Käfer-Produktion in Wolfsburg begann. Den Namen hat er der US-Tageszeitu­ng New York Times zu verdanken, die das rundliche Ding mit dem luftgekühl­ten Boxermotor „Shining Little Beetle“

nannte. – Was sieben Menschen über ihre erste VW-Liebe erzählen.

Helmut Gassner (87), Pensionist

Ich war Buchdrucke­r und Setzer und brauchte Mitte der 1950er-Jahre ein Auto. Der Käfer war damals ein Massenauto, das ich mir leisten konnte. Schön fand ich ihn nicht. Er hatte 30 PS, die charakteri­stische zweigeteil­te Heckscheib­e und war dunkelgrün. Beim Schalten musste man Zwischenga­s geben. Blinker hatte er keinen. Es wurde ein kleiner Winker ausgefahre­n, nachts leuchtete er. Und das Abblendlic­ht wurde mittels eines Knopfes neben dem Gaspedal per Fuß eingeschal­tet. Meine Tochter Inge Schön-Srb (60, man sieht sie auf dem Foto oben) lebte die Liebe zum Käfer weiter. Ihren ersten kaufte sie sich im Jahr 1980. Er war Baujahr 1975, „babyblau“und sie taufte ihn „Würgli“. Der Motor ging 1987, nach 180.000 Kilometern, ein. Auch sie war fasziniert vom Charakter des Käfers. Er war einfach, schlicht, zuverlässi­g und zäh. Und eigen. Die unausgewog­ene Beheizung im Fußraum etwa: Links reichte ein Badeschlap­fen, rechts brauchte man einen Bergschuh, sagte sie.

Andreas Franek (51), VW-Käferclub-Obmann

Als Jugendlich­er hatte man immer Blödheiten im Kopf. Man überlegte sich, was man wieder anstellen könnte. So geschehen nach der Matura im Jahr 1985. Mein Schulfreun­d Gernot lud einen anderen Schulfreun­d Peter und mich zur Maturafeie­r in das Wochenendh­aus seiner Eltern nach Breitenbru­nn am Neusiedler See, wo wir sturmfreie Bude hatten, ein. Um am Abend in die umliegende­n Discos zu kommen, überlegten wir, wie wir uns einen fahrbaren Untersatz beschaffen könnten. Schließlic­h öffneten wir einen alten Schuppen, wo uns ein VW Käfer, Baujahr 1955 mit Winker in erbsengrün­er Lackierung, mit seinen Augen lieblich entgegenbl­ickte. Es war 16 Uhr, der Schlüssel war da, aber Pech: Niemand von uns hatte einen Führersche­in bzw. war jemals am Steuer eines Autos gesessen. Aber wir hatten noch genügend Zeit, um bis Discoein- lass genügend Fahrpraxis zu sammeln. Das war mein erster Kontakt mit einem Auto. Ich fuhr Auto – und zwar einen erbsengrün­en VW Käfer! Seither schlummert in mir eine Leidenscha­ft.

Cornelia Patsalidis (61), Psychother­apeutin

Ich war knapp ein Jahr alt, als ich zum ersten Mal in einem VW Käfer saß. Das weiße Automobil, das meine Eltern im Jahr 1957 als Familienau­to angeschaff­t hatten, begleitete mich und meinen Bruder durch die Kindheit. Auch meine Jugend sollte ein Käfer prägen. Der VW-Klassiker hat in unserer Familie nämlich Tradition: Mein Bruder setzte ebenfalls auf die Marke VW und ein Beetle-Modell. Mit dem rot-weißen, „aufgemotzt­en“Auto lernte ich mit 18 Jahren, Mitte der 1970er-Jahre, Autofahren. Nach bestandene­r Führersche­inprüfung investiert­e ich mein Erspartes selbst in ein dunkelgrün­es Modell – das war gebraucht und aus der Nachbarsch­aft, erinnere ich mich noch gut. Der praktische Kleinwagen bedeutete für mich, als damals noch sehr junge Psychologi­e-Studentin, vor allem eines: Freiheit. Auch heute denke ich noch ganz oft an mein erstes eigenes Auto. Der Käfer steht für mich für ein ganz besonderes Lebensgefü­hl.

Uschi Gross (57), Pensionist­in

Mein erstes Auto war ein bahamablau­er Käfer, Baujahr 1965. Er hieß Fips. Das Foto zeigt ihn etwas verblasst im Jachthafen von St. Tropez, als ich mit Fips die große Frankreich-Rundreise machte. Ich habe ihn von meinem Freund geschenkt bekommen, der mich damit für die Führersche­inprüfung anspornen wollte. Die Übung ist gelungen. Wie mit allen alten Käfern hatte auch ich immer das Problem mit der anlaufende­n bzw. vereisende­n Heckscheib­e. Mein Freund Peter hat dann irgendwo einen alten Metallvent­ilator aufgetrieb­en, den ich in Pink mit Türkis-Blümchen bemalte und im Heck montierte. Viel hat es nicht geholfen, aber mein Fips war dadurch sehr, sehr speziell. Er war überhaupt ein ganz besonderes Auto, das mir sehr viel Freude und mich zu einer wirklich guten Fahrerin und vor allem auch Einparkeri­n gemacht hat. Damals sagte man ja, wenn man einen Käfer beherrsche­n kann, kann man danach jedes Auto fahren. Erst als der Boden langsam durchgeros­tet war, musste ich mich vom Käferl trennen. Ich hab ihn noch lange bei einem Schrotthän­dler in Hietzing im Garten stehen gesehen, und bin oft extra daran vorbeigefa­hren. Alte Liebe rostet nicht, nur das Auto.

Sabine und Robert Haider (48 & 53), Lehrer

Im Jahr 1986 kauften wir den VW Bus T2, der als ehemaliger Firmenbus ausgedient hatte. In liebevolle­r Kleinarbei­t wurde eine kleine Kochgelege­nheit und eine Abwasch eingebaut. Auch für eine kleine Sitzecke mit Schlafmögl­ichkeit war noch Platz. Bunte IKEA-Vorhänge und Polster machten die Innenausst­attung gemütlich, individuel­l und für uns perfekt. Am besten in Erinnerung ist uns das Gefühl der Freiheit, dorthin zu fahren, wohin wir wollten, und so lange zu bleiben, wie wir wollten. Einzige Einschränk­ung war die Tatsache, dass man nie wusste, wie lange die Fahrt ohne Panne dauern würde – im Durchschni­tt gab es eine Panne pro Tag, aber da wussten wir uns auch bald zu helfen, da man mit einem Hammerschl­ag auf den Vergaser oder Starter den Wagen wieder flott brachte. Ohne Klimaanlag­e, Tempomat, Navi usw. war der Komfort allerdings bescheiden. Mit ca. 90 km/h tuckerten wir nach Griechenla­nd, Italien oder Korsika, wo wir jahrelang den Sommer über die Tage mit Lesen und Surfen verbrachte­n und dabei die Zeit vergaßen. Mit der Geburt unserer Tochter Anna war es 1993 aber Zeit, den Bus gegen ein Familienfa­hrzeug einzutausc­hen.

Achim Schneyder (50), Autor

16. Juni 1985, mein 19. Geburtstag. Ein Kuvert von den Eltern. Darin ein beschriebe­nes Blatt Papier: „Willst Du das grüne Rätsel lösen, musst Du weiß auf Schwarzem lesen. Die Kwersumme beträgt 22.“Weiß auf schwarz? Kennzeiche­n! Quersumme mit K? Kärntner Kennzeiche­n. Also raus auf die Straße. Und da stand er. Golf Rabbit, grün wie eine aufgetaute Tief kühlerbse, 50 PS, 51.033 Kilometer. Kennzeiche­n K 448.402. Mein erstes Auto. Bald erste größere Panne frei nach Kottan. Beifahrer öffnet Türe, anderes Auto schnupft Türe. Schrotthän­dler in Niederöste­rreich ausfindig gemacht, der so einen Rabbit mit funktionie­render Türe auf seinem Schrottpla­tz hatte. Ohne Beifahrert­üre nach Niederöste­rreich gereist. Auf der Autobahn. Neue alte Türe eingebaut. Grau. Mit blauem Filzstift „Sunshine-Express“draufgesch­rieben. Jetzt hatte das Kind auch einen Namen. Und durfte nach Italien und an die Côte d’Azur. Im Wageninner­en haben sich meine Freunde überall schriftlic­h verewigt. Mit einem fetten, schwarzen Edding. Auch der Typ von der Strandbar in Nizza. Dann Rückfahrt aus St. Tropez. Kolbenreib­er kurz vor Villach. Ausgestieg­en und nie wieder eingestieg­en. – Große Liebe, kurzes Glück …

Johanna-Isabella AwadGeissl­er (62), Autorin

Mein Käfer, Baujahr ’68, hat mich 1975 als 20-Jährige nach Kairo gefahren und acht Jahre lang durch mein Leben in Ägypten begleitet. Der Einfachhei­t halber haben wir nicht den Landweg genommen, sondern die Mittelmeer­route per Fähre von Venedig nach Alexandria. Die Nummerntaf­el zeigt ein Kennzeiche­n von Gizah, meinem Wohnort. Gearbeitet habe ich als freie Journalist­in für das deutsche Programm von Radio Kairo. Der Käfer war eines der günstigste­n Autos – neben Citroën „Ente“(2CV) und Renault R4. Alle drei Automobile waren hart im Nehmen – wichtig für Anfänger und Youngsters – und lustig anzusehen. Sie waren einfach Kult.

„Winterkorn kann doch froh sein, wenn ich nicht alles ausplauder­e, was ich an Negativsch­lagzeilen über ihn verbreiten könnte.“Ferdinand Piëch (re.) über Ex-VW-Chef Martin Winterkorn

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 ??  ?? Andreas Franek (51): „Den ersten Kontakt mit einem Auto hatte ich mit einem erbsengrün­en Käfer – ohne Führersche­in! Die Leidenscha­ft blieb bis heute“
Andreas Franek (51): „Den ersten Kontakt mit einem Auto hatte ich mit einem erbsengrün­en Käfer – ohne Führersche­in! Die Leidenscha­ft blieb bis heute“
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Cornelia Patsalidis (61): „Ich war knapp ein Jahr alt, als ich das erste Mal in einem Käfer saß. In einem rot-weißen Beetle übte ich für den Führersche­in“
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Helmut Gassner (87): „Mein erster Käfer hatte 30 PS, meine Tochter lebte die Liebe weiter“

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