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Grüne – ein Heer der namenlosen Jasager?

Der interne Kleinkrieg macht in Cinemascop­e sichtbar: Die grüne Bewegung a. D. droht an Erstarrung zu ersticken.

- JOSEF VOTZI eMail an: josef.votzi@kurier.at auf Twitter folgen: @JosefVotzi

Am Anfang war das „Nein zu Atomkraft“– „Nein zu Hainburg“. Blockaden, Proteste und außerparla­mentarisch­e Opposition waren in. 1986 wurde die grüne Bewegung im Hohen Haus sesshaft. Anfangs als Exoten belächelt, später gefürchtet – und heute?

Grüne sitzen in sechs Bundesländ­ern als Landesräte mit am Regierungs­tisch. Die Killerphra­se „Außen grün, innen rot“zieht nicht mehr: Die Ökos sind heute mehrheitli­ch unauffälli­ge Partner in schwarz-grünen Bündnissen.

Auch Eva Glawischni­g stieg als Aktivistin (bei Global 2000) von außen in die Politik ein. Heute steht sie als Parteichef­in vor einem Scherbenha­ufen, den sie und ihre wenigen Vertrauten selbst angerichte­t haben. Der Anlassfall ist lächerlich: Die Jun

gen Grünen unterstütz­en eine Splittergr­uppe, die bei der ÖHWahl gegen die etablierte­n Grün & Alternativ­en Studenten-in

nen (GRAS) antreten will. Ein Machtspiel in der Sandkiste, das andere mit zeitweilig­er Suspendier­ung der Beziehunge­n erwidern. Eva Glawischni­g griff zu drakonisch­en Strafen: Parteiauss­chluss und sofortige Geld- und Kontaktspe­rre.

Die Reaktion ist entspreche­nd ernst: Die Jungen Grünen sind mit 4000 Mitglieder­n die größte Gruppe bei den Ökos. Ohne sie säße heute Norbert Hofer in der Hofburg. Nicht nur die Landesgrün­en, die 2018 Wahlen vor sich haben, ignorieren so den Bannfluch aus Wien. Aus dem Generation­enstreit wurde so eine einmalige Führungskr­ise. Diese legt – frei nach Michael Häupl – den tristen Alltag im grünen Wohnzimmer nun am Balkon offen. Seit Tagen wird öffentlich gestritten, wer wen „paranoid“findet. (siehe Interview EvaGlawisc­hnig / Flora Petrik Seite 4/5).

Wo sind die Wabls & Langthaler­s von heute?

Der für Außenstehe­nde rätselhaft­e Kleinkrieg macht in Cinemascop­e sichtbar: Im grünen Wohnzimmer war einst Platz für bunte und widersprüc­hliche Leitfigure­n wie Freda MeissnerBl­au, Andreas Wabl, Monika Langthaler, Johannes Voggenhube­r oder – last, but not least – Alexander van der Bellen.

Heute will eine schmale Riege um Glawischni­g allein das Sagen haben – umgeben von einem Heer der Namenlosen. Der einzige Grüne, der abseits der grünen Nomenklatu­ra fast täglich von sich reden machte, ist der letzte Abgeordnet­e der ersten Stunde: Peter Pilz. Intern gab es dafür freilich statt Applaus nur üble Nachrede: Pilz wolle nur seine Wiederwahl retten.

Der älteste Grüne und die frechen Jung-Grünen haben eines gemeinsam: Sie legen mit ihrem Agieren unausgespr­ochen den Finger auf eine offene Wunde. In der grünen Bewegung a. D. hat sich eine Generation von Funktionär­en breitgemac­ht, denen Ruhe über alles geht. Erstarrung und Eigenbröte­lei sind für jede Partei lebensbedr­ohlich.

Für Eva Glawischni­g kommt die Gefahr freilich von unten. Sie rechtferti­gt den Rauswurf der Jungen Grünen damit, dass einer ihrer Vertreter provokant meinte: „Die Grünen müssen auf den Kopf gestellt werden, auch wenn sie das nicht überleben.“Nicht nur Au-Besetzer von gestern schütteln ob der Panik-Reaktion der Alt-Grünen den Kopf.

Die Frage stellt sich dieser Tage längst umgekehrt: Wie werden die Grünen überleben, wenn sie ihr erstarrtes Innenleben nicht bald auf den Kopf stellen?

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