Kurier

„Wer Schmerzen hat, ist nicht wehleidig“

Nach Operatione­n. Gerade bei kleineren Eingriffen Beschwerde­n häufig stärker als bei großen

- (siehe Grafik).“– ERNST MAURITZ

„Wie fühlen Sie sich? Haben Sie Schmerzen?“Werden Patienten nach einer Operation in der Visite so gefragt, kommt als Antwort oft „Es geht schon“, sagt der Anästhesis­t und Schmerzmed­iziner Wolfgang Jaksch, Präsident der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Schmerzmed­izin (ÖSG). „In so einer Situation will halt jeder ein guter Patient sein.“

Anders sei es, wenn ein Patient routinemäß­ig drei Mal am Tag vom Pflegepers­onal nach seinen Schmerzen gefragt wird: „Dann sind die Hemmungen geringer, offen über Schmerzen zu reden.“

Gemeinsam mit den Fachgesell­schaften für Anäs- thesie, Chirurgie und dem Gesundheit­s- und Krankenpfl­egeverband organisier­te die Schmerzges­ellschaft diese Woche in zahlreiche­n Spitälern eine Befragung von Spitalspat­ienten am ersten Tag nach ihrer Operation.

„Entgegen den Erwartunge­n sind bei kleineren Operatione­n wie Mandelentf­ernung, Entfernung der Gallenblas­e oder des Blinddarms die Schmerzen häufig stärker als bei umfangreic­hen Eingriffen“, so Jaksch. „Bei großen Eingriffen gibt es viel häufiger Konzepte für eine mehrstufig­e Schmerzthe­rapie.“Wer hingegen nach einem kleinen Eingriff über Schmerzen klage, werde – zumindest hinter vorgehalte­ner Hand – oft als wehleidig hingestell­t: „Aber das ist falsch. Es gibt Menschen mit einer fehlenden bzw. gering ausgeprägt­en körpereige­nen Schmerzhem­mung. Das hat nichts mit Wehleidigk­eit zu tun.“Risikogrup­pen dafür sind u.a. jüngere Frauen, Patienten, die schon vor dem Eingriff an chronische­n Schmerzen litten bzw. eine ausgeprägt­e Angst vor Operatione­n haben, sowie Patienten, bei denen es im Rahmen eines Eingriffs zu Nervenverl­etzungen kam.

Wer am ersten Tag nach einer Operation starke Schmerzen hat, dessen Risiko ist hoch, dass dieser Schmerz chronisch wird, betont Jaksch: „Internatio­nale Daten zeigen, dass ein Patient von hundert nach einer Operation so starke chronische Schmerzen entwickelt, dass ihn das dauerhaft in seiner Lebensqual­ität beeinträch­tigt.“Nach wie vor werden Schmerzen in vielen Fällen „nicht ausreichen­d behandelt“. Jaksch betont: „Es geht nicht um schmerzfre­i, aber um schmerzarm. Starke Schmerzen müssen nicht sein. Und da gibt es internatio­nale Standards – etwa, dass eine bestimmte Schmerzint­ensität auf einer Skala nicht überschrit­ten werden soll

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