Große Protestversammlung der Lehrer
Schulautonomie. Pädagogen wollen ihre Direktoren und die Sonderschulen behalten. Eltern befürchten Sparpaket.
Pflichtschullehrer kamen in Scharen in die Wiener Stadthalle, weil sie Reform ablehnen
1000 Stühle wurden aufgestellt – gereicht haben sie nicht. So groß war der Andrang der Wiener Pflichtschullehrer zur Infoveranstaltung über die geplante Schulautonomie in der Stadthalle. Was die Pädagogen in Wien besonders auf die Palme bringt: „Wir brauchen unsere Direktoren amStandort, unsere Schulen sind viel zu groß, als dass eine Clusterung sinnvoll ist“, sagt Volksschullehrerin Carolyn Szedonja.
Ihre Kollegin bringt ein Beispiel: „Da bekommt ein Kind plötzlich Nasenbluten, ein anderes Mal ist ein Elterngespräch notwendig.“Ein Bereichsleiter, der als Ansprechpartner am Standort fungiert, könne diese Aufgabe nicht übernehmen. „Er steht ja in der Klasse und ist nicht dauernd verfügbar.“
Laute Buhrufe waren zu hören, als es ums Thema Son- derpädagogik ging. Für keine gute Idee halten viele, dass zukünftig nicht die sonderpädagogischen Zentren, sondern Bildungsdirektionen entscheiden, ob ein Kind einen Förderbedarf erhält.
Viele Pädagogen sind enttäuscht von dem Paket – auch weil sie sich mehr und anderes erhofft haben. „Für den Ballungsraum Wien ist es völlig ungeeignet“, bringt es Lehrergewerkschafter Stephan Maresch auf den Punkt. „Die Cluster bringen Wien nichts. Ich kann mir vorstellen, dass sich Schulen z.B. Sekretärinnen oder Sozialarbeiter teilen. Dass Lehrer an verschiedenen Standorten unterrichten, halte ich für wenig sinnvoll. Der Beruf ist jetzt schon nicht sehr attraktiv. Das wird nicht besser, wenn Physiklehrer plötzlich an fünf Standorten unterrichten müssen.“
Protest regt sich nicht nur bei den Wienern: Gernot Schreyer vom Bundeselternverband befürchtet ein verstecktes Sparpaket, und ärgert sich, dass „die Schulpartner nicht von Anfang an eingebunden wurden“.
Teilungszahl
Für Unmut sorgt, dass die Teilungszahl abgeschafft werden soll. Derzeit werden Klassen in gewissen Fächern geteilt. BHS-Gewerkschafter Roland Gangl schildert: „Uns wurde versprochen, dass die Teilungszahl in den HTLWerkstätten bleibt. Doch jetzt ist das Gesetz gestrichen worden – das heißt, dass zukünftig mehr als acht Schü- ler gemeinsam an gefährlichen Geräten sitzen können.“
Elternvertreter Schreyer will keine Ruhe geben, bis es Änderungen im Autonomiegesetz gibt. Und die wird es wohl geben müssen. Heinrich Himmer, Stadtschulratspräsident in Wien, ist zuversichtlich, dass „am Ende der Begutachtungsfrist im Gespräch mit dem Ministerium Änderungen eingearbeitet werden.“Welche Änderungen die Wiener fordern, wird in einer Stellungnahme zu lesen sein, die am heutigen Freitag parteiübergreifend beschlossen werden soll. Die Wiener Pflichtschullehrer sind jedenfalls kampfbereit. Sie starten jetzt eine Unterschriftenaktion gegen den Gesetzesplan. „Doch das ist erst der Anfang“, kündigt Maresch an.