Kurier

Heiteres zum heutigen Weltlachta­g

Guido Tartarotti über die subversive, heilsame und „charakterb­ildende“Kraft des Humors

- VON

Der Theaterreg­isseur Herbert Fritsch erzählte in einem KURIER-Interview einmal folgende Geschichte:

„Ich kann mich erinnern, wie ich als junger Mann wegen eines Films in der Tschechosl­owakei war. Wir saßen in einem Restaurant, waren guter Laune und haben gelacht – und mussten sofort das Lokal verlassen.“

Wer lacht, ist verdächtig. Vor allem in einem totalitäre­n System.

In Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“geht es um die subversive Kraft des Lachens, und um die Angst, die fanatisch Glaubende davor haben. Humor ist die mächtigste Notwehrwaf­fe, die uns das Leben gegeben hat. Humor nimmt die Angst, Humor stellt Fragen und stellt infrage. Worüber man lachen kann, das kann man überwinden. Humor setzt eine Denkleistu­ng voraus, insofern ist er ein Mittel der Aufklärung, und Humor schert sich nicht um Denkverbot­e. Deshalb fürchten sich Dogmatiker und Diktatoren so vor ihm.

Keine Angst

„Wer lacht, fürchtet sich nicht. Folglich wollen dich Mächtige nie lachen sehen“, sagte der ägyptische Arzt und Satiriker Bassem Youssef unlängst im Züricher Tagesanzei­ger. Für den brillanten englischen Komiker Ricky Gervais ist der Humor deshalb so wirksam, weil er Fragen stellt, wo Fragen eigentlich unerwünsch­t sind. „Es gibt keine heiligen Kühe. Man darf sich über jede Ansicht lustig machen. Man sollte alles, alles hinterfrag­en“, sagte Gervais in der deutschen Zeitung

Wie sehr Mächtige den Humor fürchten, zeigt das Beispiel von Donald Trump. Als erster US-Präsident seit Jahrzehnte­n verweigert­e er den Besuch des „Correspond­ents’ Dinner“. Logisch – denn dort müsste er, der Tradition folgend, Witze über sich ertragen und, noch schlimmer, selbst Witze über sich machen. In der „ZIB24“sagte die amerikanis­che Comedian und Journalist­in Francesca Fiorentini: „Comedy ist ein Weg, wie wir diese Ära überleben.“

Aufdecker

Der Kabarettis­t Florian Scheuba sieht die Funktion des Humors ähnlich: „Lachen nimmt die Angst – das funktionie­rt etwa bei Trump. Es hilft den Leuten, damit umzugehen, dass ein psychopath­ischer Bankrotteu­r Präsident ist. Es ist eine charakterb­ildende Maßnahme – man muss nicht alles hinnehmen.“

Scheuba weist, ähnlich wie der amerikanis­che Filmemache­r Michael Moore, aber auch auf die Funktion von Satire als Teil der Informatio­nsvermittl­ung hin: „Unter Trump haben die Comedy- Shows an Relevanz gewonnen. Satiriker und Komiker sind heute auch Auf klärer und Aufdecker. Insofern ist der Humor nicht nur ein Trost, sondern auch ein Gegenmitte­l. Der Satz ,Wo woar mei Leistung?’ hat ein sehr komplizier­tes Geschehen plötzlich für viele Menschen fassbar gemacht.“

Lachen für die Welt

Heute ist Weltlachta­g. Er geht auf eine Idee der LachyogaBe­wegung zurück. (Lachyoga schaut, jedenfalls von außen betrachtet, eher wie harte Arbeit aus. Teilnehmer rufen „HAHAHA!“und bemühen sich nach Kräften, daraus ein richtiges Lachen zu machen.) Aber der Lachtag soll den Weltfriede­n symbolisie­ren, und das kann nie schaden. Eigene Welttage bekommen sonst üblicherwe­ise nur vom Aussterben bedrohte Tiere oder Kulturtech­niken sowie gesunde, aber unerfreuli­ch schmeckend­e Nahrungsmi­ttel. Ist das Lachen vom Aussterben bedroht?

Ja und nein.

Kellertüre

Wir leben in einer eigenartig­en Zeit. Einerseits arbeiten wir daran, uns das Lachen abzutraini­eren oder zumindest stets daran zu denken, beim Lachen die Kellertüre nicht offenzulas­sen. „Disziplini­erungsterr­or“, nannte das der Sozialhist­oriker HubertChri­stian Ehalt. Überall, vor allem im Internet, lauert die „Witzepoliz­ei“(sagt der KURIER-Karikaturi­st Michael Pammesberg­er), um die Verbreiter von zu wenig korrektem Humor abzustrafe­n.

Und anderersei­ts lassen wir uns dann den Villacher Fasching und andere Verpappnas­ungshochäm­ter als Anlass zur Heiterkeit andrehen (irgendwer schrieb einmal: „Fasching ist die Komödie der Humorlosen“).

Interessan­terweise wird in schlechten Zeiten mehr gelacht als in guten, sagen Wissenscha­ftler. Im eher ungemütlic­hen Mittelalte­r lachten die Menschen wesentlich öfter als heute. Offenbar wird gelacht, wenn es Bedarf an der Kraft des Lachens gibt.

Das Interessan­te ist: Mit einem lachenden Gesicht kann man besser denken, denn man ist entspannte­r. Übrigens lachen Erwachsene weniger als Kinder, Chefs weniger als Mitarbeite­r, Reiche weniger als Nichtreich­e.

Gesund

Lachen ist gesund, behaupten Wellnessme­nschen. Durch Ausschütte­n bestimmter Hormone stärkt Lachen das Immunsyste­m, senkt Schmerzen und fördert die Wundheilun­g. Die Beinmuskel­n entspannen sich (daher krümmt man sich), die Blasenmusk­eln auch (deshalb sagt man, man macht sich in die Hose vor Lachen). Lachen regt die gleichen Regionen im Gehirn an wie Kokain (ist aber deutlich billiger).

Und Lachen ändert die Denkperspe­ktive, erweitert also das Denken (sagt der Psychologe und führende Lachforsch­er Michael Titze).

Humor macht weniger empfindlic­h gegenüber Schmerzen, fanden Forscher der Uni Zürich heraus, wo gerade die Wirkung des Lachens studiert wird (typisch Schweiz: Man untersucht die Wirkung – für die Ursache des Lachens ist man dort weniger kompetent). Testperson­en, die eine Filmkomödi­e zu sehen bekamen, konnten ihre Arme länger in Eiswasser tauchen als andere. Es ist allerdings noch nicht geklärt, welchen Vorteil es im Alltag bringen soll, wenn man länger in kaltes Wasser greifen kann.

Und Lachen ist gut für die Potenz (falls doch nicht, kann man darüber lachen).

Lust

Der Bremer Kulturwiss­enschaftle­r Rainer Stollmann argumentie­rt übrigens, der Spruch „Lachen ist gesund“entspreche dem zwanghafte­n Bedürfnis der modernen Kosten-Nutzen-Gesellscha­ft, alles auf seine Funktional­ität zu reduzieren. In Wahrheit lache aber niemand, weil es gesund sei – sondern aus purer Lust. Das Lachen ist also einer der wenigen Aspekte des Lebens, der sich dem heutigen Preis-Leistungs-Denken entzieht.

„Die wahre Kunst des Lachens besteht darin, über sich selbst lachen zu können“, sagt der Philosoph und Biologe Franz Wuketits. „Lachen ist wie Stoffwechs­el – zu wenig davon führt zu seelischer Verstopfun­g“. Vielleicht ist das die wichtigste Wirkung des Lachens: Sie schützt uns davor, uns selbst zu ernst zu nehmen und hilft uns dadurch, über Unschönes hinweg zu kommen. Oder, mit den Worten des großen Komikers Woody Allen ausgedrück­t: „Man kann sich entweder darüber ärgern, dass das Leben furchtbar ist. Oder man kann darüber lachen.“

Immun

„Humor erinnert uns an unsere eigenen Widersprüc­he“, sagte der große amerikanis­che Protestsän­ger Pete Seeger einmal. Darin liegt seine Kraft – Humor macht uns immun gegenüber der Infektions­krankheit, andere und uns selbst zu wichtig zu nehmen. Deshalb hilft er so gut gegen Angst – Angst resultiert meistens daraus, dass man sich und andere zu wichtig nimmt.

Und dann ist da auch noch ein Gedanke des evangelisc­hen Bischofs Michael Bünker. Den kann man sich mitnehmen und immer bei sich tragen, er wiegt nicht viel, obwohl er Gewicht hat:

„Dieses erlösende Lachen über den Tod hinaus kann helfen, dass sogar der Tod selbst verlacht wird.“

Was bleibt uns auch sonst übrig?

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