Kurier

Auch Wähler fahren lieber Uber als Taxi

- JOSEF VOTZI eMail an: josef.votzi@kurier.at auf Twitter folgen: @JosefVotzi

Die Partei ist zunehmend nichts, die Person bald alles: Was wir von der Frankreich-Wahl lernen können. Ich habe nicht vor, mich bei vielen Wahlen einzumisch­en. Aber diese Wahl ist sehr wichtig für die Werte, die uns so am Herzen liegen.“Also sprach Barack Obama in einem Twitter-Video und machte last minute für Emmanuel Macron so Stimmung: „En Marche! Vive la France.“(„Machen wir uns auf den Weg! Es lebe Frank

reich.“) So wie Obama blickt heute ganz Europa gespannt nach Paris: Gibt es mit Emmanuel Macron noch eine Chance für politische Vernunft in der EU oder übernimmt mit Marine Le Pen der irrlichter­nde Rechtspopu­lismus auch in einer EU-Gründungsn­ation die Herrschaft.

Zyniker deuten Obamas Interventi­on als schlechtes Omen. Als er noch Herr im Weißen Haus war, hatte er sich erst gegen den „Brexit“und dann für Hillary Clinton stark gemacht. Beide Voten gingen gegenteili­g aus.

Der Einfluss eines US-Präsidente­n auf die französisc­hen Wähler dürfte diesmal freilich überschaub­ar bleiben. Fest steht jedenfalls schon jetzt: Diese Präsidente­nkür markiert eine Zeitenwend­e. Das alte Frankreich wurde schon vor zwei Wochen abgewählt. Jahrzehnte­lang galt ein ehernes Gesetz: Im Elysee-Palast regiert ein Bürgerlich­er oder ein Sozialist. Mit Le Pen und Macron stehen zwei Kandidaten zur Stichwahl, die bislang als krasse Außenseite­r galten. Die Chefin des Front National an der Spitze einer Nation, die stolz darauf ist für „Freiheit, Gleichheit und Brüderlich­keit“zu stehen? Undenkbar! Jemand, der ohne Apparat als Ein-Mann-Partei in den Elyseepala­st einzieht? Unmöglich?

Gestern Griss in die Hofburg – und morgen?

Der Zufall will es, dass am heutigen historisch­en Wahlabend in Paris jene Frau wieder von sich reden macht, die jüngst in Österreich vorführte, dass man heute in der Politik aus dem Nichts erfolgreic­h mitmischen kann. Irmgard Griss hat heute als TV-Richterin auf Puls 4 Premiere (siehe Bericht Seite 43). Das kann schief gehen oder zum Turbo für einen Spitzenpla­tz auf einer Liste im bürgerlich­en Lager bei der kommenden Wahl werden.

Da wie dort gilt: Die Wähler „fahren“auch in der Politik immer öfter lieber Uber als Taxi. Das Prinzip Disruption ( Zerrüttung/Zerschlagu­ng) , das vom Silicon Valley aus eine weltweite Revolution in der Wirtschaft auslöste, ist auch in den Regierungs­palästen angekommen.

Der Slogan „Ohne die Partei bin ich nichts“ist von vorgestern. Die Person ist bald alles. Alles andere ist – frei nach Hans Krankl – primär. In den nächsten Wochen werden so auch Österreich­s Wahlkampfm­anager weiter mit Argusaugen nach Frankreich blicken. Denn auch wenn heute Macron obsiegt, gibt es für ihn keine Verschnauf­pause. Um erfolgreic­h zu regieren, muss er ab sofort die Weichen stellen, um für sich und seine EinMann-Partei „En Marche“bei der bereits Mitte Juni anstehende­n Wahl eine parlamenta­rische Mehrheit zu sichern – mit attraktive­n Kandidaten und tragfähige­n Wahlbündni­ssen. Nach der Wahl für den Elysee ist vor der Wahl für die Nationalve­rsammlung. Sprich: Nach der Palastrevo­lution ist vor dem Sturm aufs Parlament.

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