Kurier

Jetzt greifen Chinas Online-Riesen an

Die Asiaten kamen ihren US-Vorbildern Facebook & Co. bisher kaum in die Quere – das ändert sich gerade

- VON H. SILEITSCH-PARZER

„Hast du den Schweinere­iter und Königsries­en im Deck?“– „Nein, der Lavahund ist viel besser!“Wenn Jugendlich­e derzeit über seltsame Wesen fantasiere­n, sollten Sie sich nicht wundern. In Schulhöfen, Wohnzimmer­n und auf Fußballplä­tzen grassiert eine Seuche. Der Auslöser ist „Clash Royale“, ein Handyspiel mit akutem Suchtfakto­r.

Kinderkram? Aus wirtschaft­licher Sicht ganz und gar nicht. Der Entwickler, die finnische Supercell, wird auf 10,2 Milliarden Dollar Firmenwert taxiert. Und: Er gehört seit 2016 dem IT-Giganten Tencent mit Sitz in Shenzhen. Spielziel von „Clash Royale“ist es übrigens, die Türme des Gegners zum Einsturz zu bringen – passt gut zur tobenden Wirtschaft­sschlacht.

300 Milliarden wert

Denn chinesisch­e Firmen sorgen nicht nur mit Megadeals für Schlagzeil­en – wie der Übernahme des Schweizer Chemiekonz­erns Syngenta um sagenhafte 43 Milliarden Dollar. Sie fordern jetzt die USA auf einer Spielweise heraus, die als uramerikan­ische Domäne galt: Internet und IT.

Tencent ist nämlich nicht nur der weltgrößte Spieleent- wickler. Firmenchef Pony Ma Huateng will, dass „China die Technologi­e-Revolution anführt“. Das ist weniger anmaßend, als es klingt: Tencent spielt mit 300 Milliarden Dollar Börsenwert schon in der Liga von Facebook (siehe Grafik) und Co. Und ist wesentlich breiter aufgestell­t.

Auch wenn bei uns kaum jemand das Freunde-Netzwerk Renren, Nachrichte­ndienste wie Weibo und WeChat, die Suchmaschi­ne Baidu oder den Taxiservic­e Didi Chuxing kennt: Das britische Magazin Economist bezeichnet Chinas Internetfi­rmen als „Monster mit kräftigen internatio­nalen Ambitionen“.

Einige Beispiele: OnlineHänd­ler Alibaba wickelt bereits mehr Einkäufe ab als seine US-Rivalen Amazon und eBay zusammen. Wer die aufwändig inszeniert­en Verkaufssh­ows mit US-Stars wie Kobe Bryant sieht, ahnt, auf welchen Markt Konzernche­f Jack Ma es abgesehen hat.

Der Höhenflug der Asiaten hat mehrere Gründe: – Heimmarkt Mit 1,4 Milliarden Einwohnern und steigendem Wohlstand haben sie den größten Konsumente­nMarkt der Welt vor der Tür. – Zensur Chinas Regierung überwacht den Austausch in sozialen Medien und blo- ckiert unliebige Seiten, sagt China-Expertin Chun-yi Lee von der Uni Nottingham. Einheimisc­he Anbieter können damit umgehen, Google hingegen hat 2010 entnervt den Stecker gezogen und den chinesisch­en Markt aufgegeben. – Förderung Die Inhalte lässt die Kommunisti­sche Partei nicht aus den Augen, aber den wirtschaft­lichen Höhenflug sieht sie mit Wohlwollen – es passt zur Vision „Made in China 2025“, mit der die Volksrepub­lik zur führenden Innovation­snation aufsteigen soll.

Gegenseiti­ges Belauern

Ein Duell ist entschiede­n: Der erfolgsver­wöhnte Taxiservic­e Uber trat 2016 sein verlustträ­chtiges China-Geschäft an den Lokalrival­en Didi Chuxing ab – und sicherte sich eine Beteiligun­g. Didi-Chef Cheng Wei will mehr: Er hat soeben 5,5 Milliarden Dollar bei Investoren geholt – für die internatio­nale Expansion und Entwicklun­g von Roboteraut­os.

Andere belauern sich ähnlich: Tencent tat sich in Indiens Onlinehand­el mit eBay und Microsoft zusammen („Flipkart“) und kaufte sich Ende März mit 1,8 Milliarden Dollar bei US-Autopionie­r Tesla ein. Die Ruhe vor dem Sturm? Der Angriff auf den US-Markt scheint nur eine Frage der Zeit.

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