Eintauchen Schwarzes Wasser, schillernde Städte
Brasilien. Idyllische Sandstrände, rauschende Fälle oder unberührter Regenwald? Am besten alles. Eine zehntägige Reise in das fünftgrößte Land der Welt.
Wir sind nass bis auf die Knochen und ich zittere – vor Aufregung. Wir sitzen in einem fast 1000 PS starken Schlauchboot, das uns bis auf einen halben Meter an die mächtigen Iguaçu-Wasserfälle im Grenzgebiet von Argentinien, Brasilien und Paraguay heranfährt. Ein Nebenfluss des Río Paraná stürzt hier in die Tiefe – in bis zu 300 einzelnen Fällen donnert er auf drei Kilometern Länge in den Abgrund. Und wir sind mittendrin.
Das herabfallende Wasser prasselt ins Boot, die weiße Gischt vernebelt die Sicht und das ohrenbetäubende Getöse schluckt jedes Wort. Es fühlt sich fast so an, als wäre man in einen Tsunami geraten. Aber wer den Nervenkitzel sucht, ist genau richtig: Nirgendwo sonst bekommt man die Kraft der Natur eindrucksvoller zu spüren als unterhalb der gigantischen Wassermassen.
Atemberaubend
Das „große Wasser“, wie die Indianer die Fälle nannten und was „Iguaçu“übersetzt bedeutet, kann man natürlich auch zu Fuß erkunden – trocken bleibt man dabei trotzdem nicht, egal von welcher Richtung man sich nähert. Von der brasilianischen Seite hat man die beste Sicht und ein tolles Panorama. Weil das nicht so lange dauert, geht sich danach ein Besuch im „Parque das Aves“aus – ein Vogelpark in Foz do Iguaçu, wo man in begehbaren Volieren mit verspielten Tukanen, farbenprächtigen Langschwanz-Aras und flinken Kolibris in Berührung kommt.
Von der argentinischen Seite kommt man unterdessen hautnah an die eigentliche Attraktion heran: Den „Garganta del Diabolo“, den Teufelsschlund. Er ist der mächtigste aller Fälle und rauscht mehr als 80 Meter in die Tiefe. Der feine Sprühnebel durchnässt alles, was nicht wasserfest verpackt ist.
Eine weitere Glanzleistung der Natur liegt im Nordwesten des Landes bei Manaus. Die Bundeshauptstadt ist das Tor zum Amazonas – und somit zum größten tropischen Regenwald der Erde. Er erstreckt sich über mehrere Länder Südamerikas, den größten Anteil (mit einer Landfläche größer als Westeuropa) hat aber Brasilien. Das Blätterdach ist fast geschlossen, Bäume, Sträucher, Lianen und Palmen kämpfen um jeden Sonnenstrahl und wachsen bis zu 50 Meter nach oben. Scheue, seltene und auch gefährliche Tiere – vom Faultier über fleischfressende Ameisen hin zu Affen und Jaguaren – sind hier zu Hause.
Im Dschungel
Inmitten dieses Dickichts – beim „Encontro das Águas“, dem „Treffen der Wasser“– nimmt der Amazonas seinen Anfang: Wenn der sandfarbenen Rio Solimões und der schwarze Rio Negro aufeinander treffen und nebeneinander her fließen, ohne sich zu vermischen. Erst nach etwa sieben Kilometern vereinigen sich die Gewässer zu einem Strom – dem Amazonas, der sich in Tausende Nebenarme verzweigt. Ohne die Hilfe eines Ortskundigen, der unser Boot über die Wasserstraßen steuert, wäre man hier verloren. Die Ufer dieser immer noch unerschlossenen Region sind dünn besiedelt. Caboclos (Kinder von Ureinwohnern und Europäern, Asiaten oder Afrikanern) haben ihre Häuser auf Stelzen errichtet. Genutzt wird, was das Amazonas-Becken bereithält: Sie stellen Kautschuk und Maniok her, fischen Piranhas die neben Kaimanen, Flussdelfinen und Anakondas in dem dunklen Wasser leben oder züchten Pirarucus – zwei Meter große Süßwasser-Fische –, die zum Luft holen an die Oberfläche tauchen und übrigens hervorragend schmecken.
Nicht nur die Natur beeindruckt mit ihrer unglaublichen Vielfalt. Sondern auch die großen Städte.
Rio de Janeiro
Die sieben Millionen Einwohner Metropole am Zuckerhut hat einen hohen Freizeitwert: Die Strände sind traumhaft und an den schwarz-weiß gepflasterten Promenaden kann man herrlich flanieren, Radfahren oder joggen. Abseits der beiden größten Strände Copacabana und Ipanema, die sich halbmondförmig über mehrere Kilometer erstrecken, gibt es viele kleine, ruhige Buchten mit nur wenigen Besuchern. Man kann die Berge, die die Küste säumen, erklimmen und mit dem Gleitschirm dem offenen Meer entgegensegeln, im stadteigenen Regenwald Tijuca wandern oder Samba tanzen und Capoeira lernen.
Fußballfans kommen sowieso auf ihre Kosten: Auf öffentlichen Plätzen wird rund um die Uhr gekickt – auch nachts mit Flutlicht.
Sicher unterwegs
Im Zentrum trifft man auf gebaute Gegensätze: Auf historische Kolonialbauten, wie das legendäre Café Colombo, gigantische Street-Art-Kunstwerke und neue Architektur, wie das „Mu- seu do Amanhã“von Stararchitekt Santiago Calatrava.
Gewisse Gebiete sollte man besser meiden. In den Favelas hat man zum Beispiel nichts verloren – auch wenn manche inzwischen „befriedet“sind. Weil man das als Tourist nur schwer einschätzen kann, sollte man die Hangsiedlungen mit ihren kunterbunten Häusern nicht auf eigene Faust erkunden. Eine Möglichkeit gibt es aber: Manche Unternehmen bieten geführte Touren an. Die Guides wissen genau, welche Ecken man besser auslässt und welche besucht werden können. Wer sich außerdem an ein paar einfache Regeln hält (keinen Schmuck tragen, Kameras und Handys gut verstauen) hat auch in puncto Kriminalität nicht allzu viel zu befürchten. Vor allem, wenn man seinen Kleidungsstil an den der
Neben Fleisch am Spieß werden auch der Amazonas-Fisch Pirarucu und Feijoada, ein typisch brasilianischer Bohneneintopf, serviert
Cariocas (Einwohner Rios) anpasst, fällt man als Europäer kaum weiter auf: kurze Hose oder Rock, T-Shirt und Flip Flops – fertig ist der Rio-Look.
Süß, aromatisch, bunt
Am Fuß der Christus-Statue auf dem höchsten Berg Rios, dem Corcovado, oder auf dem berühmten Zuckerhut: So gut wie überall werden Bananen, Açai Beeren, Mangos, Ananas, Papayas, Melonen und Guaven angeboten – frisch gepresst und unglaublich aromatisch.
Zum kulinarischen Pflichtprogramm zählt außerdem der Besuch einer Churrascaria (brasilianisches Grillrestaurant). Dazu gibt es ein Salat-Buffet und vegetarische Beilagen. Die Hauptattraktion ist das gegrillte Fleisch – und dessen Inszenierung: Kellner eilen mit langen Spießen von Tisch zu Tisch und schneiden saftige Stücke aus Hüfte, Filet und Schulter vor den Augen der Gäste ab. Essen kann man dabei, so viel man möchte – oder eben kann.
Große Fleischmengen zu bewältigen stellt bei einer Reise in das fünftgrößte Land der Welt nur die kleinere Herausforderung dar. Viel schwieriger ist die Entscheidung, welche Gegenden man besucht. Zwei Dinge sind aber gewiss: Das „große Wasser“im Süden, der Amazonas im Norden und die grüne Metropole an der Ostküste sollte man keinesfalls verpassen. Und wer einmal hier war, kommt wieder.
Langsam werden die Favelas befriedet. In vielen Vierteln hat man als Alleinreisender aber immer noch nichts verloren