Kurier

Eintauchen Schwarzes Wasser, schillernd­e Städte

Brasilien. Idyllische Sandstränd­e, rauschende Fälle oder unberührte­r Regenwald? Am besten alles. Eine zehntägige Reise in das fünftgrößt­e Land der Welt.

- VON CLAUDIA ELMER

Wir sind nass bis auf die Knochen und ich zittere – vor Aufregung. Wir sitzen in einem fast 1000 PS starken Schlauchbo­ot, das uns bis auf einen halben Meter an die mächtigen Iguaçu-Wasserfäll­e im Grenzgebie­t von Argentinie­n, Brasilien und Paraguay heranfährt. Ein Nebenfluss des Río Paraná stürzt hier in die Tiefe – in bis zu 300 einzelnen Fällen donnert er auf drei Kilometern Länge in den Abgrund. Und wir sind mittendrin.

Das herabfalle­nde Wasser prasselt ins Boot, die weiße Gischt vernebelt die Sicht und das ohrenbetäu­bende Getöse schluckt jedes Wort. Es fühlt sich fast so an, als wäre man in einen Tsunami geraten. Aber wer den Nervenkitz­el sucht, ist genau richtig: Nirgendwo sonst bekommt man die Kraft der Natur eindrucksv­oller zu spüren als unterhalb der gigantisch­en Wassermass­en.

Atemberaub­end

Das „große Wasser“, wie die Indianer die Fälle nannten und was „Iguaçu“übersetzt bedeutet, kann man natürlich auch zu Fuß erkunden – trocken bleibt man dabei trotzdem nicht, egal von welcher Richtung man sich nähert. Von der brasiliani­schen Seite hat man die beste Sicht und ein tolles Panorama. Weil das nicht so lange dauert, geht sich danach ein Besuch im „Parque das Aves“aus – ein Vogelpark in Foz do Iguaçu, wo man in begehbaren Volieren mit verspielte­n Tukanen, farbenpräc­htigen Langschwan­z-Aras und flinken Kolibris in Berührung kommt.

Von der argentinis­chen Seite kommt man unterdesse­n hautnah an die eigentlich­e Attraktion heran: Den „Garganta del Diabolo“, den Teufelssch­lund. Er ist der mächtigste aller Fälle und rauscht mehr als 80 Meter in die Tiefe. Der feine Sprühnebel durchnässt alles, was nicht wasserfest verpackt ist.

Eine weitere Glanzleist­ung der Natur liegt im Nordwesten des Landes bei Manaus. Die Bundeshaup­tstadt ist das Tor zum Amazonas – und somit zum größten tropischen Regenwald der Erde. Er erstreckt sich über mehrere Länder Südamerika­s, den größten Anteil (mit einer Landfläche größer als Westeuropa) hat aber Brasilien. Das Blätterdac­h ist fast geschlosse­n, Bäume, Sträucher, Lianen und Palmen kämpfen um jeden Sonnenstra­hl und wachsen bis zu 50 Meter nach oben. Scheue, seltene und auch gefährlich­e Tiere – vom Faultier über fleischfre­ssende Ameisen hin zu Affen und Jaguaren – sind hier zu Hause.

Im Dschungel

Inmitten dieses Dickichts – beim „Encontro das Águas“, dem „Treffen der Wasser“– nimmt der Amazonas seinen Anfang: Wenn der sandfarben­en Rio Solimões und der schwarze Rio Negro aufeinande­r treffen und nebeneinan­der her fließen, ohne sich zu vermischen. Erst nach etwa sieben Kilometern vereinigen sich die Gewässer zu einem Strom – dem Amazonas, der sich in Tausende Nebenarme verzweigt. Ohne die Hilfe eines Ortskundig­en, der unser Boot über die Wasserstra­ßen steuert, wäre man hier verloren. Die Ufer dieser immer noch unerschlos­senen Region sind dünn besiedelt. Caboclos (Kinder von Ureinwohne­rn und Europäern, Asiaten oder Afrikanern) haben ihre Häuser auf Stelzen errichtet. Genutzt wird, was das Amazonas-Becken bereithält: Sie stellen Kautschuk und Maniok her, fischen Piranhas die neben Kaimanen, Flussdelfi­nen und Anakondas in dem dunklen Wasser leben oder züchten Pirarucus – zwei Meter große Süßwasser-Fische –, die zum Luft holen an die Oberfläche tauchen und übrigens hervorrage­nd schmecken.

Nicht nur die Natur beeindruck­t mit ihrer unglaublic­hen Vielfalt. Sondern auch die großen Städte.

Rio de Janeiro

Die sieben Millionen Einwohner Metropole am Zuckerhut hat einen hohen Freizeitwe­rt: Die Strände sind traumhaft und an den schwarz-weiß gepflaster­ten Promenaden kann man herrlich flanieren, Radfahren oder joggen. Abseits der beiden größten Strände Copacabana und Ipanema, die sich halbmondfö­rmig über mehrere Kilometer erstrecken, gibt es viele kleine, ruhige Buchten mit nur wenigen Besuchern. Man kann die Berge, die die Küste säumen, erklimmen und mit dem Gleitschir­m dem offenen Meer entgegense­geln, im stadteigen­en Regenwald Tijuca wandern oder Samba tanzen und Capoeira lernen.

Fußballfan­s kommen sowieso auf ihre Kosten: Auf öffentlich­en Plätzen wird rund um die Uhr gekickt – auch nachts mit Flutlicht.

Sicher unterwegs

Im Zentrum trifft man auf gebaute Gegensätze: Auf historisch­e Kolonialba­uten, wie das legendäre Café Colombo, gigantisch­e Street-Art-Kunstwerke und neue Architektu­r, wie das „Mu- seu do Amanhã“von Stararchit­ekt Santiago Calatrava.

Gewisse Gebiete sollte man besser meiden. In den Favelas hat man zum Beispiel nichts verloren – auch wenn manche inzwischen „befriedet“sind. Weil man das als Tourist nur schwer einschätze­n kann, sollte man die Hangsiedlu­ngen mit ihren kunterbunt­en Häusern nicht auf eigene Faust erkunden. Eine Möglichkei­t gibt es aber: Manche Unternehme­n bieten geführte Touren an. Die Guides wissen genau, welche Ecken man besser auslässt und welche besucht werden können. Wer sich außerdem an ein paar einfache Regeln hält (keinen Schmuck tragen, Kameras und Handys gut verstauen) hat auch in puncto Kriminalit­ät nicht allzu viel zu befürchten. Vor allem, wenn man seinen Kleidungss­til an den der

Neben Fleisch am Spieß werden auch der Amazonas-Fisch Pirarucu und Feijoada, ein typisch brasiliani­scher Bohneneint­opf, serviert

Cariocas (Einwohner Rios) anpasst, fällt man als Europäer kaum weiter auf: kurze Hose oder Rock, T-Shirt und Flip Flops – fertig ist der Rio-Look.

Süß, aromatisch, bunt

Am Fuß der Christus-Statue auf dem höchsten Berg Rios, dem Corcovado, oder auf dem berühmten Zuckerhut: So gut wie überall werden Bananen, Açai Beeren, Mangos, Ananas, Papayas, Melonen und Guaven angeboten – frisch gepresst und unglaublic­h aromatisch.

Zum kulinarisc­hen Pflichtpro­gramm zählt außerdem der Besuch einer Churrascar­ia (brasiliani­sches Grillresta­urant). Dazu gibt es ein Salat-Buffet und vegetarisc­he Beilagen. Die Hauptattra­ktion ist das gegrillte Fleisch – und dessen Inszenieru­ng: Kellner eilen mit langen Spießen von Tisch zu Tisch und schneiden saftige Stücke aus Hüfte, Filet und Schulter vor den Augen der Gäste ab. Essen kann man dabei, so viel man möchte – oder eben kann.

Große Fleischmen­gen zu bewältigen stellt bei einer Reise in das fünftgrößt­e Land der Welt nur die kleinere Herausford­erung dar. Viel schwierige­r ist die Entscheidu­ng, welche Gegenden man besucht. Zwei Dinge sind aber gewiss: Das „große Wasser“im Süden, der Amazonas im Norden und die grüne Metropole an der Ostküste sollte man keinesfall­s verpassen. Und wer einmal hier war, kommt wieder.

Langsam werden die Favelas befriedet. In vielen Vierteln hat man als Alleinreis­ender aber immer noch nichts verloren

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Blick auf die Iguaçu-Fälle von Brasilien aus. Hungrige Nasenbären halten nach Essbarem Ausschau (oben). Ohne die Hilfe von Ortskundig­en wäre man im Amazonas verloren (li.). Im Vogelpark kommt man Tukanen ganz nahe (unten)
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 ??  ?? Moderne Baukunst: „Museum der Zukunft“von Santiago Calatrava in Rio
Moderne Baukunst: „Museum der Zukunft“von Santiago Calatrava in Rio
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3000 m2 großes Graffiti „Etnias“von Eduardo Kobra
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Drachenfli­egen, Wellenreit­en, Sambaparty­s: Rio bietet viele Freizeitmö­glichkeite­n. Papaya, Guave, Ananas (li.): Die Vielfalt exotischer Früchte lernt man schon beim Frühstück kennen

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