Zwei Jahre Haft für Gouverneur von Jakarta wegen „Gotteslästerung“
Tendenz zum Islamismus. Selbst die Staatsanwaltschaft forderte weniger Strafe – in Indonesien steigt die Intoleranz gegenüber Minderheiten
„Allahu Akbar!“, ertönt es im Zentrum der indonesischen Hauptstadt Jakarta.
Tausende Muslime haben sich versammelt, um das Urteil gegen den ehemaligen Gouverneur Jakartas, Basuki Tjahaja Purnama zu feiern. Purnama wurde von einem Gericht der Gotteslästerung bezichtigt – und zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er soll im vergangenen September den Koran beleidigt haben. Man soll sich nicht von jenen leiten lassen, die den Koran zitierten, um meine Wahl zu verhindern, hatte er bei einem Wahlkampfauftritt gesagt. Darauf hin marschierten 500.000 Muslime wütend auf die Straße und forderten Purnamas Bestrafung. Der christliche Gouverneur entschuldigte sich und nahm seine Worte zurück – trotzdem verlor Purnama, auch Ahok genannt, die Gouverneurswahl im April gegen den islamischen Kandidaten Anies Baswesan. Und landete vor Gericht.
Unruhe in Gesellschaft
Obwohl die Staatsanwaltschaft ein Jahr auf Bewährung für Ahok beantragte, fiel das Urteil härter aus. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass der Gouverneur die Gefühle von Muslimen verletzt, Unruhe in die gesamte Gesellschaft getragen habe und keine Reue zei- ge. Auf der Straße in Jakarta stehen auch Tausende Anhänger Ahoks und machen ihrem Ärger Luft. „Die Richter haben ihn verurteilt, weil sie dem Druck der Massen gewichen sind. Das ist unfair“, ruft einer der Aktivisten.
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Hu- man Rights Watch wurden im vergangenen Jahrzehnt mehr als einhundert Indonesier wegen Blasphemie verurteilt.
Beobachtern zufolge tendiert die größte muslimisch geprägte Demokratie der Welt in Richtung eines politischeren, konservativeren Islam. Seit 1998 wurden mehr als 440 lokale Verordnungen, wie etwa Kopftuchpflicht für Frauen oder strengere Verkaufsbestimmungen für Alkohol aus islamischen Gesetzen wie der Scharia übernommen. Islamistisch motivierte Anschläge, unter anderem auf eine Kirche und einen Priester erschütterten das Land.
Die indonesische Regierung hat bereits Schritte dagegen gesetzt – am Montag verbot sie die Hizbut Tahrir, eine islamistische Organisation, die ein Kalifat im Land errichten will. Von den 255 Millionen Bürgern sind etwa 88 Prozent Muslime. Der Druck auf die Minderheiten nimmt laut Berichten zu.
„Wenn jemand wie Ahok – der gesellschaftlich und politisch bestens vernetzt ist – für zwei Jahre wegen Gotteslästerung eingesperrt wird, wie sieht das dann bei normalen Bürgern aus?“, sagt Thomas Müller von der Organisation Open Doors, die sich für verfolgte Christen einsetzt.