Die Frage um die Quelle des Lebens
Evolution. Wer den Ursprung des ersten Einzellers auf der Erde kennt, kann Rückschlüsse auf andere Planeten ziehen
Die ersten Lebewesen auf der Erde waren Mikroorganismen. So viel steht fest. Wann und wo diese entstanden sind, ist aber gar nicht so leicht zu beantworten, wie der Wiener Evolutionsbiologe Ulrich Technau weiß.
„Die große Frage ist, ob sich erste Lebensformen entwickelten, als die Erde noch sehr heiß war, oder ob das in späteren Phasen geschah, als sich die Erde abkühlte“, sagt Technau. Sicher schien lange Zeit nur, dass sich Kleinstlebewesen zuerst im Meer entwickelten und von dort aus das Land besiedelten.
Doch jüngste Forschungen kommen zu dem Schluss, dass der Ursprungsort auch auf dem Land liegen könnte. Einen Hinweis auf diese Theorie haben Wissenschaftler der University of New South Wales jetzt in Australien gefunden, und zwar in Form eines Stromatolithen – geschichtete Ablagerungen, die vor 3,5 Milliarden Jahren von Mikroben produziert wurden. Das wäre bereits eine Milliarde Jahre nach der Entstehung der Erde gewesen, die 4,6 Milliarden Jahre zurückreicht. Veröffentlicht wurden die Erkenntnisse im Wissenschaftsjournal Nature Communications.
Wettlauf
Mikrobiologen und Geologen liefern sich derzeit einen Wettlauf, wer den ältesten Hinweis auf Lebewesen findet. Erst 2016 meldeten Forscher aus Grönland, dass sie dort im Flachwasser 3,7 Milliarden Jahre alte Bakterienablagerungen gefunden haben, die sich ebenfalls zu einem Stromatolithen formten. In Kanada wollen Forscher sogar noch ältere Ablagerungen gefunden ha- ben: 4,3 Milliarden schätzen sie. Doch Experten wie Ulrich Technau bezweifeln das. Begründung: „Damals war die Erde noch ein Feuerball.“
Dass solches Leben seinen Ursprung in der Nähe von sehr heißen Quellen hatte, kann sich Christa Schleper, Mikrobiologin der Uni Wien, durchaus vorstellen: „Für wenig wahrscheinlich halte ich dagegen, dass sich Einzeller in heißen Quellen entwickelt haben, die mehr als 60 Grad heiß sind. Wer sich, wie ich, mit diesen Mikroorganismen, die in sehr heißen Quellen leben, auskennt, dem ist klar, dass sich bei solchen Temperaturen nur Einzeller und keine höheren Lebewesen entwickelt haben können.“
Eine gewisse Skepsis bei Erfolgsmeldungen wie solchen aus Australien bleibt. Schließlich ist für Wissenschaftler die Versuchung groß, schnell mit einer Sensation berühmt zu werden, die nicht hundertprozentig gesichert ist.
Warum solche Nachweise gar nicht so einfach zu bringen sind, weiß Mikrobiologin Schleper: „Diese Stromatolithen sind Sedimentgesteine, von denen man zwar annimmt, dass sie durch bak- terielle Ablagerungen entstanden sind. Genauso gut könnten sie aber physikalischen Ursprungs sein, wenn das Gestein hohem Druck gesetzt worden war.“Ulrich Technau ergänzt: „Vielleicht wurde die entdeckten Stromatolithen erst später durch Mikroorganismen besiedelt.“
Astrobiologie
Ein spannender Forschungsgegenstand ist die Beschäftigung mit dem Ursprung des Lebens auf der Erde auch deshalb, weil sich durch die Erkenntnisse auch Rückschlüsse auf außerirdisches Leben ziehen lassen. Viele Biologen nehmen an, dass es auf Monden und anderen Planeten Einzeller gibt. Auch die australischen Wissenschaftler verweisen in ihren Veröffentlichungen darauf: „Die Sedimente, die in der Region Pil- Forschung in Zahlen sollen die Mikrobenrückstände sein, die 2017 an der Hudson Bay in Kanada gefunden wurden. vergingen, bis 2016 im Isua-Grünsteingürtel in Grönland Lebensspuren in Felsformationen, entdeckten. bara in Westaustralien gefunden wurden, sind vergleichbar mit Ablagerungen ehemaliger hydrothermaler Quellen auf dem Mars“, sagt die Studienautorin Tara Djokic.