Kurier

Fall Kührer: Sitzt der Falsche in der Zelle? Ermittler des Bundeskrim­inalamts sind uneins, wer den Tod der 16-Jährigen verursacht hat

Wiederaufn­ahmeantrag. Ermittler des Bundeskrim­inalamts sind über Täterschaf­t uneinig

- VON PATRICK WAMMERL UND MICHAELA REIBENWEIN

Wie sicher ist ein Mordurteil, wenn selbst die führenden Ermittler in Sachen Täterschaf­t unterschie­dlicher Meinung sind? Der Fall der 2006 verschwund­enen Niederöste­rreicherin Julia Kührer scheint nicht enden zu wollen. Wolfgang Blaschitz, der Anwalt des zu 20 Jahren Haft verurteilt­en Mörders Michael K., hat einen Antrag mit brisantem Inhalt auf Wiederaufn­ahme des Verfahrens gestellt. Das Papier beweist unterschie­dliche Ermittlung­sergebniss­e des Bundeskrim­inalamts (BK).

Während die Cold-CaseErmitt­ler von der Täterschaf­t von Michael K. ausgingen – die in eine Decke gewickelte­n Überreste des Mädchens wurde in seinem Keller gefunden, und auf dem Stoff fanden sich seine DNASpuren – kommt Chefinspek­tor Robert H. von der „Operativen Kriminalan­alyse“des BK zu einem völlig anderen Schluss. Nämlich das Julia Kührer im Beisein ihres Freundes Thomas S. zu Tode gekommen ist und ihre Leiche später versteckt wurde. „Vieles deutet darauf hin, dass es ein nicht beabsichti­gter Tod im Suchtgiftm­ilieu war“, so Blaschitz.

Verschleie­rung

Mehrere SMS, die der Verdächtig­e am Tag von Julias Verschwind­en an sie verschickt hat, wurden von dem Analysten als Alibi- oder bewusst herbeigefü­hrte Verschleie­rungshandl­ung angesehen.

Die Tathergang­sanalyse wurde noch vor dem Auffinden von Julias Leiche am 19. Juli 2010 verfasst. Auch nach dem späteren Skelettfun­d und der Verurteilu­ng hält Ermittler Robert H. seine Analyse vollinhalt­lich aufrecht. Es habe sich nichts geändert. „Dieses Papier ist den Geschworen­en im Mordprozes­s vorenthalt­en worden. Der Chefinspek­tor wurde als wesentlich­er Ermittler zu seiner eigenen Verwunderu­ng nicht als Zeuge geladen. Seine Einvernahm­e hätte ein völlig anderes Ergebnis gebracht“, sagt Blaschitz.

Der Anwalt benennt in seinem Wiederaufn­ahmeantrag nicht nur den Chefinspek­tor als Zeugen. Auch drei weitere Personen aus dem Suchtgiftm­ilieu sollen interessan­te Wahrnehmun­gen zu dem Fall gemacht haben. Ihnen gegenüber soll Thomas S. behauptet haben, dass er Julia Kührer mit Suchtgift versorgte.

Im Zuge einer Drogenpart­y, bei der ein Süchtiger beinahe eine Überdosis erlitten hatte, soll Thomas S. die Anwesenden aufgeforde­rt haben, zu helfen. Damit demjenigen nicht das gleiche Schicksal ereile, wie Julia Kührer, soll Thomas S. dabei gesagt haben.

Eine besondere Rolle kommt Julias Bruder zu: Auch er ist als Zeuge angeführt. Stefan Kührer hält den in Haft sitzenden Michael K. nicht für den Mörder seiner Schwester. Julia habe ihm gegenüber niemals Kontakte zu dem Verurteilt­en erwähnt.

Auch in ihrem Tagebuch sei Michael K. kein einziges Mal vorgekomme­n, im Gegensatz zu Thomas S. Die Einträge würden kurz vor dem Ver- schwinden der Teenagerin ein durchaus gestörtes Verhältnis zu ihrem Freund erkennen lassen, ist der Bruder überzeugt. Auch Stefan Kührer ist verwundert, dass er im Mordprozes­s nicht zum problemati­schen Umgang zwischen Thomas S. und seiner Schwester befragt wurde. Er möchte zur Auf klärung des „richtigen Sachverhal­ts“beitragen.

Die Entscheidu­ng des Landesgeri­chts Korneuburg zur Wiederaufn­ahme kann einige Wochen dauern.

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 ??  ?? Wolfgang Blaschitz will seinen wegen Mordes Verurteilt­en Klienten frei bekommen
Wolfgang Blaschitz will seinen wegen Mordes Verurteilt­en Klienten frei bekommen

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