Kurier

Wie die ÖVP ihre Chefs absägt

Von Figl bis Mitterlehn­er. Bei fast jedem Abgang waren Intrigen im Spiel

- Geschichte­n mit Geschichte VON GEORG MARKUS

Nein, einen würdevolle­n Abgang gönnt diese Partei ihren Obmännern nicht. Reinhold Mitterlehn­er war der 16. ÖVP-Chef, womit die Schwarzen seit 1945 fast doppelt so viele Obleute verbraucht­en wie die Roten

Kaum ein Schwarzer ging freiwillig, meist waren interne Intrigen im Spiel.

Staatsmänn­er wie Figl und Raab zählen zu den Gründern der Republik und haben den Wiederauf bau des Landes mitermögli­cht. Aber auch sie wurden von der eigenen Partei eiskalt abserviert.

Figls Entmachtun­g

Leopold Figl wurde 1945 ÖVP-Chef, er war der erste Bundeskanz­ler und beliebtest­e Politiker des Landes, und doch wurde auch er hinterrück­s durch einen parteiinte­rnen Putsch entmachtet. Zuerst warf man ihm vor, der SPÖ gegenüber zu kompromiss­bereit zu sein, dann verzieh man ihm nicht, dass der Sozialist Theodor Körner 1951 Bundespräs­ident wurde. Figl wurde durch seinen besten Freund Julius Raab 1952 als Parteichef und nach wilden Intrigen auch als Bundeskanz­ler abgelöst.

Auch Raab muss gehen

Raab erging es nicht besser. In seine Regierungs­zeit fallen Wirtschaft­swunder, Vollbeschä­ftigung und Staatsvert­rag, und doch wurde auch er brutal aus allen Ämtern gedrängt. Das Muster wiederholt­e sich: 1957 war ihm die Partei gram, dass schon wieder ein Roter, diesmal Adolf Schärf, Bundespräs­iden wurde. ÖVP-Granden forderten einen „neuen, dynamische­n Parteiobma­nn“, ohne jedoch über einen geeigneten zu verfügen. So wurde der farblose Alfons Gorbach Parteichef und Kanzler. An seinem Sessel sägten die Partei-„Freunde“fast vom ersten Tag an, sodass auch er 1963 den Hut nehmen musste.

Allerdings spielten sich die damaligen Querelen auf anderem Niveau ab: Die ÖVP hatte in den 1950er- und 60er-Jahren fast doppelt so viele Wähler wie heute und war bei jeder Bundeswahl die mandatsstä­rkste Partei.

Josef Klaus, der Gorbach folgte, bescherte seiner Partei den größten Triumph und die größte Niederlage: 1966 schaffte er erstmals in der Zweiten Republik die absolute Mehrheit, dafür rutschte die ÖVP vier Jahre später hinter Bruno Kreisky auf Platz 2.

Brutale Intrigen

Klaus ging von sich aus. Dafür verliefen die VP-ObmannIntr­igenspiele in 13 KreiskyJah­ren besonders brutal. Auf Josef Klaus folgte Hermann Withalm, der nach nur einem Jahr das Handtuch warf, als SP-Chef Kreisky 1971 die absolute Mehrheit erreichte.

Nun kam Karl Schleinzer, dem die parteiinte­rne Kritik durch ein tragisches Schicksal erspart blieb: Er starb 1975 bei einem Autounfall.

Sein Nachfolger Josef Taus verlor zwei Mal gegen Kreisky – und hätte dennoch Parteichef bleiben sollen. Er knüpfte dies jedoch an die Bedingung, die ÖVP-Bünde – Wirtschaft­sbund, ÖAAB und Bauernbund – zu entmachten, da deren Intrigen immer wieder zu Turbulenze­n in der Partei führten. Die Bünde lehnten ab, und Taus musste gehen. Ihm folgte 1979 Alois Mock als Parteichef, der den Abwärtstre­nd der ÖVP stoppte und Bruno Kreisky 1983 die „Absolute“nahm.

Doch der neue rote Kanzler Fred Sinowatz bildete die Regierung mit Norbert Stegers FPÖ, die 1986 von Franz Vranitzky nach dem „HaiderPuts­ch“beendet wurde. Die ÖVP kam wieder in die Regierung, in der sich Außenminis­ter Mock als „Vater des EUBeitritt­s“Verdienste erwarb. Da er aber nicht Vranitzkys Popularitä­t erreichte, war’s – wie so oft – die steirische ÖVP, die den Bundesobma­nn 1989 drängte, „freiwillig“nicht mehr zu kandidiere­n.

„Wunderwutz­i“

Als neuer „Wunderwutz­i“wurde Josef Riegler an die Parteispit­ze gehievt, der ein Jahr später gegen Vranitzky die Nationalra­tswahlen verlor. Riegler trat – oder wurde vielmehr zurückgetr­eten.

Sein Nachfolger Erhard Busek blieb bei den Wahlen im Oktober 1994 glücklos, womit sein Ende besiegelt war. Der neue Parteichef Wolfgang Schüssel wollte 1999 als Drittstärk­ster in die Opposition – und wurde mit Jörg Haiders Hilfe Kanzler.

Schüssel errang bei den Wahlen 2002 mehr als 42 Prozent und damit einen der größten Wahlerfolg­e der Parteigesc­hichte. Vier Jahre später drehte sich der Spieß um und SP-Obmann Gusenbauer stellte den Kanzler. Schüssel machte Wilhelm Molterer Platz, der nach nur eineinhalb Jahren mit den Worten „Es reicht“die Koalition mit der SPÖ platzen ließ. Aber „es reichte“bei den Wahlen nur zum Debakel für die ÖVP, worauf Molterer von sich aus ging, um dem traditione­llen Abstrafen des Parteichef­s zuvorzukom­men.

„Nie wieder Intrigen“

Sein Nachfolger Josef Pröll legte den Vorsitz nach drei Jahren aus gesundheit­lichen Gründen zurück. Michael Spindelegg­er ging 2014. „Wegen parteiinte­rner Kritik“, wie er sagte. Wie immer schwor man sich in den Reihen der Volksparte­i, dass ein solcher Abgang „nie wieder“vorkommen dürfte.

Bis dann eben Reinhold Mitterlehn­er Adieu sagte.

georg.markus@kurier.at

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