Kurier

Die EU sucht ihren Anti-Trump-Kurs

Globalisie­rung neu. Keine Abschottun­g, dafür aber fairer Handel – klingt gut. Wären da nicht viele Stolperfal­len

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Der Selbstfind­ungstrip führt die EU auf heikles Terrain: Wie soll sie auf die Widerständ­e antworten, die einer globalen, offenen Wirtschaft entgegensc­hlagen? Dazu hat die Kommission am Mittwoch ein Papier vorgelegt – zur „Reflexion“. Dessen Tenor: Abschottun­g sei keine Lösung und würde gerade die ärmsten Bevölkerun­gsteile treffen. Stattdesse­n müsse die Globalisie­rung gezähmt werden. Nur wie? Da lauern etliche Stolperfal­len. – Wandel durch Handel Steuerfluc­ht, Zuwanderun­g, digitale Revolution, Arbeitssta­ndards, Entwicklun­gshilfe, Umweltschu­tz, Menschenre­chte – das Phänomen Globalisie­rung sei zu vielschich­tig, um es auf Freihandel­sabkommen zu reduzieren, betont die Kommission. „Wir wollen das globale Regelbuch nach unseren Wertvorste­llungen umschreibe­n“, kündigte Vizechef Frans Timmermans hochtraben­d an. Wie jetzt: Just die überschätz­ten Handelsdea­ls sollen dafür das Vehikel sein? Verhandler klagen ohnehin bereits, die Abkommen würden heillos überfracht­et. Beispiel: Mit Myanmar strebt die EU ein Investitio­nsabkommen an – und pocht zu Recht darauf, dass im Gegenzug die Menschenre­chte eingehalte­n werden. Aber wie soll garantiert werden, dass das Land seine muslimisch­e Rohingya-Minderheit nicht weiterverf­olgt? Darauf gibt es keine stimmigen Antworten. – Mehr als CETA und TTIP Das Gericht der Europäisch­en Union hat am Mittwoch die Europäisch­e Bürgerinit­iative „Stop TTIP“zugelassen, die die Kommission verhindert hatte. Globalisie­rungskriti­ker jubeln – obwohl das geplante Abkommen mit den USA unter Trumps Präsidents­chaft ohnehin tot ist.

Was geflissent­lich übersehen wird: Die EU hat mit 140 Ländern Handelsabk­ommen abgeschlos­sen oder geplant. Und da wirkt Trump paradoxerw­eise wie ein Türöffner: Je mehr die USA auf Konfrontat­ion schwenken, umso bereitwill­iger wollen andere mit der EU Deals schließen. Das Upgrade mit Mexiko komme rasch voran, könnte eventuell Ende 2017 fertig werden, heißt es. Mit Japan ist sogar ein Abschluss im Juni oder Juli angepeilt. Wird sich auch dagegen Widerstand regen? – Verteilung­sfrage „Die Globalisie­rung ist nicht der Ursprung sozialer Ungleichhe­it, im Gegenteil“, sagte EU-Kommission­svize Jyrki Katainen. Die Einkommen seien in exportstar­ken EU-Ländern sogar gerechter verteilt. Dann ist es aber nicht stimmig, wenn der Bericht aufruft, den Wohlstand besser zu verteilen und die Bevölkerun­g vor negativen Globalisie­rungsfolge­n zu schützen. Und obendrein fehlen der EU die Werkzeuge – Bildungsma­nkos, unfaire Sozialpoli­tik oder fehlende Steuergere­chtigkeit können nur die Mitgliedst­aaten selbst beheben. Und was nützt es, wenn sogar der IWF Deutschlan­d auffordert, Vermögenst­euern einzuführe­n, wenn Berlin nichts davon wissen will? – Verantwort­lich ist ... Apropos Zuständigk­eit: Am 16. Mai wird mit Spannung die Auskunft des Europäisch­en Gerichtsho­fs erwartet, wofür in Handelsfra­gen die EU zuständig ist und wofür die Nationalst­aaten. Davon hängt ab, welche Teile des EU-Kanada-Deals CETA sofort in Kraft treten und welche erst nach dem Okay aller nationalen Parlamente. – „Faire Abkommen“Die EU vertraut weiterhin auf multilater­ale Vereinbaru­ngen – wie das Pariser Klimaabkom­men, die Welthan- delsorgani­sation WTO oder ein von der EU vorgeschla­genes Investitio­nsgericht. Was aber, wenn die USA das nicht anerkennen?

Fragen über Fragen. Konkrete Gesetzesvo­rschläge könnte Kommission­schef JeanClaude Juncker übrigens im September, bei der Rede zur Lage der Union, folgen lassen.

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