Kurier

„Die FIFA verliert die Glaubwürdi­gkeit“

Guido Tognoni. Der frühere FIFA-Manager kritisiert den Fußball-Weltverban­d und sieht weitere Probleme kommen

- VON (siehe unten).

Es geht wieder drunter und drüber beim Fußball-Weltverban­d Der Reformproz­ess, den FIFA-Präsident Gianni Infantino einleiten wollte, ist gestoppt. Der KURIER befragte vor dem FIFA-Kongress in Bahrain den langjährig­en FIFA-Manager Guido Tognoni, der seit Jahren als erbitterte­r Kritiker des Verbandes auftritt. KURIER: Die FIFA sorgt wieder einmal für Schlagzeil­en. Guido Tognoni: Und sie können sich sicher sein: Die FIFA wird noch lange Zeit nicht zur Ruhe kommen. Aber sie hat sich ja auch lange genug viel zu sicher gefühlt. Was meinen Sie damit?

Es sind einfach viele Jahre vergangen, bis endlich der Zeitpunkt gekommen ist, dass die Justiz einmal großflächi­g die FIFA angegriffe­n hat. Genau das passiert nun seit einiger Zeit. Insofern wird auf die FIFA noch einiges zukommen. Die Bedrängnis von außen wird nicht geringer werden. Weil bei der FIFA auch immer wieder ein neues Fass geöffnet wird. Wie präsentier­t sich für Sie der Fußball-Weltverban­d aktuell?

Die FIFA ist völlig verunsiche­rt. Einerseits, weil sie gerade von unabhängig­en Justizbehö­rden in die Enge getrieben wird wie nie zuvor. Anderersei­ts hat die FIFA finanziell­e Probleme. Und dazu ist sie innerlich überhaupt nicht gefestigt. Insofern durchlebt die FIFA gerade eine schwierige Phase. Aber hat nicht Gianni Infantino nach seiner Inthronisi­erung gemeint: Die Krise ist vorbei?

Das hat er vermutlich im Überschwan­g des Erfolges gesagt, das war nichts weiter als ein hehrer Wunsch. Die Realität hat auch Gianni Infantino längst eingeholt. Wie fällt denn Ihr Zwischenfa­zit seiner Amtszeit aus?

Infantino hatte zu Beginn große Mühe, in die Spur zu finden. Das hat auch jeder gemerkt. Ich glaube, dass er immer noch dabei ist, seinen Weg zu finden. Dazu stellt sich die Frage, wie frei Infantino überhaupt in seinen Entscheidu­ngen ist. Gerade wurden mit Hans-Joachim Eckert und Cornel Borbély die wichtigste­n Personen der FIFAEthikk­ommission abmontiert.

Das hat einen großen Einfluss auf die Außendarst­ellung der FIFA. Es ist nach außen ein verheerend­es Zeichen, dass die beiden jetzt durch andere Leute ersetzt wurden. Das heißt im Grunde, man hat bei der FIFA den Kampf gegen die Korruption schon halb aufgegeben. Welche Folgen hat das?

Es gibt bei der FIFA Leute, die, sagen wir einmal, ein eher entspannte­res Verhältnis zur Korruption haben. Die FIFA sagt, sie versucht, die Korruption zu bekämpfen, aber wenn man ihr die Mittel und die besten Leute nimmt, und das sind nun einmal Eckert und Borbély, dann verliert sie natürlich jegliche Glaubwürdi­gkeit. Kann der Weltverban­d FIFA überhaupt von innen reformiert werden?

Klare Antwort: Nein. Das hat die FIFA ja in den letzten Jahren nachhaltig bewiesen, dass sie es nicht kann. Es braucht eindeutig den Druck von außen. Selbst ein Präsident, der sie wirklich reformiere­n möchte, ist auf verlorenem Posten in so einem globalen Unternehme­n, in dem die Korruption in den größten Teilen der Welt und in den größten Teilen der Verbände eine Rolle spielt. Gianni Infantino müsste eigentlich froh sein für jeden Druck, der von außen kommt. Anders wird es nicht gehen. Das FBI ist ohnehin schon seit einiger Zeit am Ball.

Genau, und bei den Amerikaner­n und dem FBI wissen wir: Mit denen ist nicht zu spaßen. Dazu ist die Schweizer Bundesanwa­ltschaft dran, auch die Deutschen ermitteln. Die FIFA sollte nicht den Fehler machen, die Justiz aus Deutschlan­d, den USA und der Schweiz zu unterschät­zen. Das sind Leute, die müssen etwas abliefern, die können und werden es sich nicht leisten, etwas versickern zu lassen. Aber es geht ja längst nicht nur um die FIFA. Wovon sprechen Sie?

Wir schauen jetzt nur auf die FIFA, aber beim IOC sieht es um nichts besser aus. Die großen Verbände, die in den letzten Jahrzehnte­n ohne viel Aufwand zu viel Geld gekommen sind, haben offensicht­lich den Umgang mit dieser komfortabl­en Situation noch nicht richtig gelernt. Wir müssen aber festhalten: Wir drängen jetzt im Sport auf Transparen­z, ich möchte nicht wissen, was in der Politik und der Wirtschaft abgeht, wenn es um globale Projekte geht. Die FIFA und das Internatio­nale Olympische Komitee stehen mehr in der Öffentlich­keit.

Klar ist es schick, die FIFA zu attackiere­n. Allerdings bietet sie auch extrem viel Angriffsfl­äche. Wenn man jetzt darüber redet, die Bezüge der Mitglieder des neuen Councils von 300.000 auf 450.000 Dollar anzuheben, für vier Sitzungen im Jahr wohlgemerk­t, dann schafft das natürlich kein gutes Bild. Das passt nicht mehr in die heutige Zeit. Der Umgang mit dem großen Geld fällt vielen Leuten nicht leicht. Geht’s dem Weltverban­d immer noch zu gut?

Ich sage es schon seit Jahren: Die FIFA ist fett und zu aufgebläht. Sie bräuchte dringend eine Schlankhei­tskur. Aber die wird sie wahrschein­lich erst unternehme­n, wenn ihr das Geld ausgeht. Im Moment lebt die FIFA noch von den Reserven. Die belaufen sich immerhin auf mehr als eine Milliarde Dollar.

Aber die FIFA hat zwei schwierige Turniere vor sich, die WM2018 in Russland und die WM 2022 in Katar. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass man für das Turnier in Russland noch weitere Sponsoren finden wird. Wer will schon in der heutigen geopolitis­chen Lage mit Russland und der FIFA im gleichen Boot sitzen? Es findet sich inzwischen ja auch kaum noch ein europäisch­es Land, das eine FußballWM oder Olympische Spiele austragen möchte.

Man kann’s überall sehen: In allen Ländern, in denen de- mokratisch­e Zustände herrschen, in denen also die Bevölkerun­g etwas zu sagen hat, haben die großen Sportproje­kte keine Chance mehr. Das ist eine schlechte Entwicklun­g, aber wer sagt, dass man die nicht ändern kann? Man muss einfach mit den Ansprüchen runter. Man kann nicht diesen Dampfer immer in die gleiche Richtung weiterfahr­en lassen. Abschließe­nd: Das deutsche Nachrichte­nmagazin „Der Spiegel“nannte Gianni Infantino zuletzt „eine Kopie seines Vorgängers“. Steckt in ihm denn ein kleiner Joseph S. Blatter?

Er hat natürlich vom Vorgänger ein ziemliches Schlamasse­l geerbt. Man muss ehrlicherw­eise aber auch sagen: Infantino ist es bis jetzt nicht gelungen, sich aus dem Schatten von Blatter zu lösen. Ich würde aber nicht so weit gehen, dass er eine Karikatur seines Vorgängers ist. Glauben Sie, dass Blatter Genugtuung verspürt, weil auch sein Nachfolger ins Schussfeld geraten ist ?

Er wird diese Entwicklun­gen sicher mit einer gewissen Freude verfolgen. Dass es eben auch den anderen an den Kragen geht. Aber bei ihm überwiegt meines Erachtens noch immer der Schmerz über seinen schmählich­en Abschied. Das hat ihn schwer getroffen. Was mit ihm passiert ist, was auch mit anderen FIFA-Funktionär­en passiert ist, das ist eine klare Warnung an die ganze Gilde. Dass man nicht so weiterwurs­chteln

kann.

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