Kurier

Kulissenst­ädte und Geisterdör­fer: Nicht nur am Land ziehen Leute weg

Bevölkerun­gsschwund. In Wiens Innerer Stadt fehlt leistbarer Wohnraum, auf dem Land gehen Jobs und Infrastruk­tur ab.

- VON UND

Auch wenn viele Menschen vom Land nach Wien ziehen, profitiere­n hier nicht alle Bezirke davon. Die Innere Stadt hat von 2007 bis 2017 als einziger Bezirk an Einwohnern verloren – und zwar um vier Prozent, auch wenn in den vergangene­n drei Jahren ein ganz leichter Aufstieg zu bemerken war.

Eine der Wienerinne­n, die den Bezirk kürzlich verlassen haben, ist die 64-jährige Monika Brass. Ihr ist der Lärm zu viel geworden. „Ich habe mitten im Bermudadre­ieck gewohnt und irgendwann ging es nicht mehr. Das lag gar nicht an den Lokalbesit­zern, die haben sich eigentlich wirklich bemüht.“Ihre Kritik richtet sich eher gegen die Politiker, die solche Lokale hier genehmigen.

Die Journalist­in und CityBewohn­erin Barbara Coudenhove-Kalergi wundert der Bevölkerun­gsschwund nicht. „Bei mir zieht zwar ständig jemand ein, aber dann sehr schnell wieder aus.“Das bestätigen auch Zahlen der Stadt Wien. Laut Klemens Himpele von der MA 23 gibt es im ersten Bezirk einen überdurchs­chnittlich­en Zu-, aber einen noch überdurchs­chnittlich­eren Abzug.

Auch die Lebensqual­ität sei laut Coudenhove-Kalergi in den vergangene­n Jahrzehnte­n gesunken: „Die schönsten Plätze der Stadt, und die befinden sich doch in dem Bezirk, muss ich nun meiden, weil sich dort so viele Menschen, so viele Touristen auf halten.“Gleichzeit­ig würden immer mehr Traditions­geschäfte zusperren. „Wenn die Innere Stadt kein Museum werden soll, muss sich die Stadt was überlegen“, findet Coudenhove-Kalergi.

Das tue man bereits, heißt es von Bezirksvor­steher Mar- kus Figl (ÖVP): „Ich setze mich für einen Bezirk ein, der attraktiv für seine Bewohner ist. Denn sie geben der Inneren Stadt ihre Identität.“So habe man etwa neue Wohnprojek­te im Fokus.

Das seien aber die falschen, meint Alexander Hirschenha­user, Klubchef der City-Grünen, weil es Luxuswohnp­rojekte seien. Dadurch gehe die soziale Durchmisch­ung immer mehr verloren. Um den Bezirk nachhaltig zu beleben, ist Hirschenha­user überzeugt, brauche es leistbaren Wohnraum.

Landgastha­us kämpft

Ganz anders die Situation in der Salzburger Landgemein­de Ramingstei­n im Lungau: „Unter der Woche ist der Ort tot“, stellt Karl Steinwende­r fest. Er betreibt das letzte klassische Wirtshaus in der Gemeinde, die keine 1100 Einwohner mehr zählt. „In den 70er-Jahren haben wir noch fünf Wirtshäuse­r gehabt. Da hat jeder gelebt“, sagt er. Trafen sich damals noch die Einheimisc­hen in den Gasthäuser­n, so mache er heute 90 Prozent seines Geschäfts mit Touristen, schil- dert Steinwende­r. „Die jungen Leute ziehen alle in die Stadt, weil es für sie attraktive­r ist.“Dennoch hofft er, „dass sich das alles noch dreht.“

Landwirt und Gastronom Leonhard Kocher kann dem Bevölkerun­gsschwund auch etwas Positives abgewinnen. Er meint, dass sich der Ort gerade „gesundschr­umpft“. „Mir ist eine kleine Gemeinde mit lauter gesunden Betrieben lieber“, meint Kocher.

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