Kopf und Kurs dringend gesucht
Eva Glawaschnig will nicht mehr, Grüne stehen zu Beginn des Wahlkampfes ohne Führung da
„Die Spekulationen sind absurd.“So reagierte Eva Glawischnig, als sie in einem KURIER-Interview am 9. April mit Rücktritts- bzw. Ablösegerüchten anlässlich des Konflikts mit den Jungen Grünen konfrontiert wurde.
Nun wurde aus der Absurdität Realität: Donnerstagvormittag gab die Frontfrau der Grünen nach fast neun Jahren an der Spitze der Partei ihren Rücktritt aus all ihren Funktionen bekannt. Die 48-jährige Kärntnerin war ja nicht nur Bundessprecherin, sondern auch Klubchefin der Grünen im Parlament. Geplant war der Rückzug allerdings noch nicht für Donnerstag. Vielmehr brachte die deutsche Wochenzeitung Die
Zeit am späten Mittwochabend das Gerücht vom Abgang in Umlauf. Das brachte Glawischnig unter Zugzwang. Selbst langjährige Kollegen wussten nichts von ihrem überhasteten Rückzugsplan. „Es hat mich überrascht. Ich wurde erst in der Nacht informiert. Um acht Uhr Früh gab es dann eine Telefonkonferenz, um uns upzudaten“, schildert Oberösterreichs Grüner Landesrat und Glawischnig-Weggefährte Rudi Anschober dem KURIER.
„Warnsignale“
Die Polit-Aussteigerin selbst sagte am Mittwoch, es habe „keinen bestimmten Anlass“für ihren Abschied gegeben. Sie zählte aber entscheidende Faktoren auf. Die Aufgabe als Parteichefin sei ein 24Stunden-Job, den man nicht ewig machen könne. Und: „Ich habe Verantwortung gegenüber meiner Familie“, sagte die Mutter zweier Söhne (7 und 10 Jahre), die mit Ex-TV-Moderator Volker Piesczek verheiratet ist. Es habe auch „körperliche Warnsignale gegeben“. Glawischnig hatte sich Anfang April wegen eines schweren allergischen Schocks im Spital behandeln lassen müssen.
Damals lag sie auch gerade im Clinch mit den Jungen Grünen. Diese Auseinandersetzung, die der Chefin viel Kritik eingebracht hat – und die Perspektive auf einen Wahlkampf, der für die Grünen in einer äußerst ungünstigen Phase kommt, dürften wohl auch eine Rolle gespielt haben – da sind sich Beobachter einig. Es gab bekanntlich nicht nur den Streit mit der Partei-Jugend. In Wien sind die Ökos auch wegen des Hochhaus-Projekts am Heumarkt zerstritten. Hinzu kommt eine schlecht gefüllte Parteikassa, weil die Grünen Alexander Van der Bellen im Hof burg-Wahlkampf mit rund vier Millionen Euro an Geld- und Sachspenden unterstützt haben. Alles zusammen betrachtet keine guten Voraussetzungen für die Nationalratswahl. Wohl auch deshalb ist es schwierig, die Nachfolge zu klären.
Die Parteiführung haben interimistisch die bisherigen Stellvertreter Ingrid Felipe und Werner Kogler übernommen, den Klub leiten vorerst Albert Steinhauser und Gabi Moser. Weitere Weichen sollen am Freitag in Salzburg gestellt werden, wo der erweiterte Bundesvorstand tagen wird. Als Favoritinnen für die Parteispitze wurden am
„Ich habe Verantwortung gegenüber meiner Familie.“ Eva Glawischnig über ihren Rücktritt
Mittwoch die Tiroler Landesrätin Felipe und die EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek genannt (siehe rechts). Im Gespräch war auch eine Ämtertrennung. Es hieß, Felipe könnte Bundessprecherin, Lunacek Spitzenkandidatin für die Wahl werden. Eine solche Zweiteilung ist intern aber umstritten. Für beide Politikerinnen wäre ein Wechsel an die Spitze ein gewisses Risiko. Felipe hätte gute Chancen, ihre Partei bei der Landtagswahl 2018 wieder in die Landesregierung zu bringen. Vize-EU-Parlamentspräsidentin Lunacek könnte europaweite Frontfigur der Grünen für die EUWahl 2019 werden. Auch die anfangs ins Spiel gebrachte Salzburgerin Astrid Rössler soll 2018 für die Grünen eine Landtagswahl schlagen.
Seitenhieb
Alle drei Genannten ließen vorerst offen, ob sie die Glawischnig-Nachfolge antreten würden – und verwiesen auf den Bundesvorstand. Felipe konnte sich im KURIERGespräch einen Seitenhiebe den neuen ÖVP-Chef nicht verkneifen: „Ich bin nicht Sebastian Kurz, der den Menschen über die Zeitung ausrichtet, was sie zu tun oder zu lassen haben.“
Wer auch immer letztlich das Ruder übernimmt – einig war man sich am Mittwoch hinter den Kulissen, dass einer Frau eine Frau nachfolgen sollte – auch als Kontrapunkt zur männlichen Konkurrenz (Christian Kern, Sebastian Kurz und HeinzChristian Strache) im Nationalratswahlkampf.
Wie sollte es die Neue anlegen? Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer sagt: „Nachdem sich die SPÖ schrittweise nach rechts bewegt, müssten sich die Grünen stärker links positionieren, um auch von der SPÖ enttäuschte Wähler abzuholen.“Ob Felipe als Frontfigur für diese Ausrichtung geeignet wäre, ist für den OGMChef fraglich. „Sie ist Landesrätin in einer schwarz-grünen Koalition und hat sich damit klar anders positioniert.“
Spätestens am 25. Juni müssen sich die Grünen entscheiden, passend wäre. Da tritt der Bundeskongress zusammen – und muss die Kandidatenliste für die Nationalratswahl beschließen.