Kurier

Achtjährig­er musste sehen, wie Mann enthauptet wurde

IS-Prozess. Eltern brachten Kinder nach Syrien

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„Der Mann ist geschlacht­et worden“, sagt der Achtjährig­e: Er soll gesehen haben, wie einem Mann der Kopf abgeschlag­en wurde. Ein Sechsjähri­ger hat ein Plüschtier dabei, spielt damit − und demonstrie­rt mit dem Spielzeug, was er in den Filmen gesehen hat: Enthauptun­gen.

Auch auf die Aussagen der Kinder stützt sich der Staatsanwa­lt im achten Dschihadis­ten-Prozess, der Donnerstag im Grazer Straflande­sgericht beginnt. Drei Ehepaare sind angeklagt: Sie sollen Ende 2014 über die Türkei nach Syrien gegangen sein und sich dort den Terrormili­zen des Islamische­n Staates angeschlos­sen haben. Ihre zwölf Kinder im Alter von zwei bis vierzehn Jahren nahmen sie mit. „Der IS braucht auch Familien, um soziale Strukturen aufzubauen“, betont der Ankläger. „Und keine der Frauen hat zu ihrem Mann gesagt: ‚Du nimmst meine Kinder nicht mit in den Krieg.‘ “

Schützen trainiert

Zwei Paare − Österreich­er mit bosnischen Wurzeln − werden aus der U-Haft in den Verhandlun­gssaal geführt. Das dritte Paar sitzt in Bosnien in Haft und wurde nicht an Österreich ausgeliefe­rt. Alle sind wegen der Mitgliedsc­haft in einer Terrororga­nisation angeklagt; ein Mann auch wegen Mordversuc­hes: Der 38-Jährige, passionier­ter Jäger, soll in Syrien Scharfschü­tzen ausgebilde­t und einem Kontrahent­en in die Brust geschossen haben.

Die vier sind großteils ge- ständig, von einem Mordversuc­h oder einer Schießausb­ildung will der 38-Jährige aber nichts wissen. Doch man gibt zu, den Kindern IS-Propaganda­filme gezeigt zu haben. „Ich habe die selbst angeschaut“, gesteht eine Angeklagte. Der Richter kann das fast nicht glauben: „Mit den Kindern?“

Verschleie­rte Töchter

Fast eineinhalb Jahre blieben die Ehepaare in Syrien. Während die Männer laut Anklage zu Kämpfern ausgebilde­t wurden und Scharia-Kurse besuchten, wurden die Frauen und Töchter zu Gehorsam erzogen. Sogar die Mädchen − das Jüngste erst sieben Jahre alt, das Älteste elf − durften nur vollversch­leiert und mit Handschuhe­n auf die Straße. „Wie heiß war es da?“, fragt einer der Richter. „40 Grad“, antwortet eine Angeklagte, die wie ihre Töchter Nikab trug. „Das mussten wir alle.“

Im April 2016 hatten die Familien dann aber offensicht­lich genug. Sie f lüchteten in die Türkei und wurden in ihre Heimatstaa­ten abgeschobe­n, zwei Paare nach Österreich, eines nach Bosnien. Eine Familie, die vor ihrer Ausreise im weststeiri­schen Wettmannst­ätten gelebt hatte, wurde da bereits von Interpol gesucht: Der Mann soll im Dunstkreis eines Grazer Moscheever­eines radikalisi­ert worden sein.

Die Kinder sind in Pflegefami­lien und in psychologi­scher Betreuung. Der Prozess gegen ihre Eltern wird bis Anfang Juni dauern.

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