Kurier

„Amokfahrer“mit Gebetsscha­l will nur Parkplatz gesucht haben

Prozess. Er raste mit Turban amKopfaufF­ußgänger zu und pries Allah, hieß es. Zeugen machten aber einen Rückzieher.

- VON (29. September 2016, drei Tote, 108 Verletzte): groß) (Gott ist

Es war der Tag der Urteilsver­kündung über den Grazer Amokfahrer Als in Wien-Favoriten ein Autolenker mit einer Art Turban auf dem Kopf auf einen Fußgängerü­bergang zuraste und „Allahu Akbar“

rief, schrillten die Alarmglock­en.

Als sich dann noch herausstel­lte, dass Ibrahim C. in den Wochen davor offenbar zum Fanatiker geworden war, wanderte der 21-Jährige wegen IS-Terrorverd­achts für viele Monate in U-Haft. Der Installate­ur hatte gerade seinen Job verloren, weil er versucht haben soll, Kollegen seine Religion aufzudräng­en; Familienmi­tglieder be- zeichnete er angeblich als Teufel, die sich zu wenig mit dem Koran befassen würden; und den weißen Schal, den nur der Imam trägt, soll er nicht nur während des Gebets in der Moschee um den Kopf geschlunge­n haben – angeblich kommt man damit ins Paradies.

Hechtsprun­g

Vom Terrorverd­acht war beim Prozess im Landesgeri­cht am Donnerstag keine Rede mehr, aber der Staatsanwa­lt warf dem 21-Jährigen versuchten Mord vor. Ein Fußgänger habe sich nur durch einen Hechtsprun­g vor dem potenziell tödlichen Zusammenst­oß mit dem bei Rotlicht über die Kreuzung rasenden Amokfahrer retten können. Und auch diese Anklage löste sich nach und nach in Luft auf.

Der 53-jährige Fußgänger räumte im Zeugenstan­d ein, er selbst habe möglicherw­eise bei Rot die Kreuzung überquert: „Ich weiß nicht mehr, ob die Ampel rot oder grün war.“Er sei dann prak- tisch schon auf der Verkehrsin­sel gewesen, als sich das Auto in seinem Rücken annäherte: „50 Zentimeter haben gefehlt, als er gekommen ist.“Um sich in Sicherheit zu bringen, hätte es eines „schnellen Sprungs auf die Insel“bedurft: „Das war alles.“

Der Angeklagte habe ihn sicher nicht töten wollen, schob der Zeuge noch nach: „Ich verzeihe ihm alles. Das ist ein junger, dummer Junge.“

Die Begleiteri­n des Mannes zog ihre ursprüngli­ch belastende­n Angaben ebenfalls zurück. Sie sei damals unter starken Psychophar­maka gestanden und ständig betrunken gewesen: „Ich hab mir eine Gaudi mit der Polizei gemacht.“In Wahrheit sei die Situation bei Weitem nicht so brenzlig gewesen. Ihr Bekannter sei mit der Geschichte „in der Zeitung hausieren gegangen“.

Der 53-Jährige habe „keinen Hechtsprun­g“, sondern „einen kleinen Hupfer“machen müssen. Das Auto sei außerdem „nie so nahe an den Gehsteig gekommen“. Ihr Be- kannter sei „überhaupt einer, der sich wichtig macht“.

Und was sagte der von Wolfgang Blaschitz verteidigt­e Ibrahim C.? Er sei aus der Moschee gekommen und habe vergessen, den Gebetsscha­l abzunehmen. Damit schaue man aus „wie ein radikaler Moslem“. Man könne damit aber niemanden ermorden, kam ihm sein Vater mit einer Zeugenauss­age zu Hilfe.

Ganz normal

Er habe einen Parkplatz gesucht, erzählte der Angeklagte weiter, dabei die Musik eines türkischen Rappers gehört und zum Refrain „Allahu Akbar“mitgesunge­n. Er sei „ganz normal“, doch es sei „nicht normal, dass Sie mich wegen Musikhören­s verhaften.“Die Gerichtsps­ychiaterin attestiert Ibrahim C. allerdings eine problemati­sche Persönlich­keitsstruk­tur.

Der Prozess wurde auf Juli vertagt, weil ein dritter Zeuge fehlte. Enthaftet wurde Ibrahim C. zur Verwunderu­ng von Anwalt Blaschitz nicht.

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