„Amokfahrer“mit Gebetsschal will nur Parkplatz gesucht haben
Prozess. Er raste mit Turban amKopfaufFußgänger zu und pries Allah, hieß es. Zeugen machten aber einen Rückzieher.
Es war der Tag der Urteilsverkündung über den Grazer Amokfahrer Als in Wien-Favoriten ein Autolenker mit einer Art Turban auf dem Kopf auf einen Fußgängerübergang zuraste und „Allahu Akbar“
rief, schrillten die Alarmglocken.
Als sich dann noch herausstellte, dass Ibrahim C. in den Wochen davor offenbar zum Fanatiker geworden war, wanderte der 21-Jährige wegen IS-Terrorverdachts für viele Monate in U-Haft. Der Installateur hatte gerade seinen Job verloren, weil er versucht haben soll, Kollegen seine Religion aufzudrängen; Familienmitglieder be- zeichnete er angeblich als Teufel, die sich zu wenig mit dem Koran befassen würden; und den weißen Schal, den nur der Imam trägt, soll er nicht nur während des Gebets in der Moschee um den Kopf geschlungen haben – angeblich kommt man damit ins Paradies.
Hechtsprung
Vom Terrorverdacht war beim Prozess im Landesgericht am Donnerstag keine Rede mehr, aber der Staatsanwalt warf dem 21-Jährigen versuchten Mord vor. Ein Fußgänger habe sich nur durch einen Hechtsprung vor dem potenziell tödlichen Zusammenstoß mit dem bei Rotlicht über die Kreuzung rasenden Amokfahrer retten können. Und auch diese Anklage löste sich nach und nach in Luft auf.
Der 53-jährige Fußgänger räumte im Zeugenstand ein, er selbst habe möglicherweise bei Rot die Kreuzung überquert: „Ich weiß nicht mehr, ob die Ampel rot oder grün war.“Er sei dann prak- tisch schon auf der Verkehrsinsel gewesen, als sich das Auto in seinem Rücken annäherte: „50 Zentimeter haben gefehlt, als er gekommen ist.“Um sich in Sicherheit zu bringen, hätte es eines „schnellen Sprungs auf die Insel“bedurft: „Das war alles.“
Der Angeklagte habe ihn sicher nicht töten wollen, schob der Zeuge noch nach: „Ich verzeihe ihm alles. Das ist ein junger, dummer Junge.“
Die Begleiterin des Mannes zog ihre ursprünglich belastenden Angaben ebenfalls zurück. Sie sei damals unter starken Psychopharmaka gestanden und ständig betrunken gewesen: „Ich hab mir eine Gaudi mit der Polizei gemacht.“In Wahrheit sei die Situation bei Weitem nicht so brenzlig gewesen. Ihr Bekannter sei mit der Geschichte „in der Zeitung hausieren gegangen“.
Der 53-Jährige habe „keinen Hechtsprung“, sondern „einen kleinen Hupfer“machen müssen. Das Auto sei außerdem „nie so nahe an den Gehsteig gekommen“. Ihr Be- kannter sei „überhaupt einer, der sich wichtig macht“.
Und was sagte der von Wolfgang Blaschitz verteidigte Ibrahim C.? Er sei aus der Moschee gekommen und habe vergessen, den Gebetsschal abzunehmen. Damit schaue man aus „wie ein radikaler Moslem“. Man könne damit aber niemanden ermorden, kam ihm sein Vater mit einer Zeugenaussage zu Hilfe.
Ganz normal
Er habe einen Parkplatz gesucht, erzählte der Angeklagte weiter, dabei die Musik eines türkischen Rappers gehört und zum Refrain „Allahu Akbar“mitgesungen. Er sei „ganz normal“, doch es sei „nicht normal, dass Sie mich wegen Musikhörens verhaften.“Die Gerichtspsychiaterin attestiert Ibrahim C. allerdings eine problematische Persönlichkeitsstruktur.
Der Prozess wurde auf Juli vertagt, weil ein dritter Zeuge fehlte. Enthaftet wurde Ibrahim C. zur Verwunderung von Anwalt Blaschitz nicht.