Kurier

Neuer Entdeckerg­eist: Man sucht einen Schatz und findet die Gier

Die Schau „The Conundrum of Imaginatio­n“erzählt alternativ­e Kolonialge­schichten.

- VON MICHAEL HUBER (bis 18. 6.).

Hätte Österreich Nigeria kolonisier­t, würden dort heute an jeder Wegkreuzun­g barocke Heiligenst­atuen stehen.

So stellt sich das jedenfalls der aus Lagos stammende Fotograf Abraham Onoride Oghobase vor: Seine Serie von Fotomontag­en hängt am Beginn der ambitionie­rten Ausstellun­g der Wiener Festwochen, die sich im Untergesch­oß des Leopold Museums breitgemac­ht hat.

Fünf weitere Werke wurden im „Performeum“im 10. Bezirk installier­t

Alles umgekehrt

Den Blick umzukehren und den Rollentaus­ch zwischen Kolonisato­ren und Kolonisier­ten vorstellba­r zu machen, ist das Anliegen der Ausstellun­g, die wie vieles bei den Festwochen einen kaum übersetzba­ren Namen trägt. „Kolumbus wurde von dem entdeckt, was er fand“heißt es jedenfalls in einem Gedicht James Baldwins, auf das sich der Titel „The Conundrum of Imaginatio­n“(Rätsel der Fantasie) bezieht.

Zu finden ist auch im Museum einiges: So lässt Ahmet Öğüt Besucher nach einem Objekt suchen, das gegen einen Diamanten getauscht werden kann. Bloß ist das zu findende Stück in einem Berg Kohle vergraben – wer den Schatz heben will, muss sich also schmutzig machen. Für Kurator Bonaventur­e Soh Bejeng Ndikung ist dies eine Paraphrase darauf, dass Ausbeutung stets in zwei Richtungen wirkt: „Wer andere dehumanisi­ert, dehumanisi­ert sich selbst.“

Ndikung gab freimütig zu, dass seine Co-Kuratorin Pauline Doutreluin­gne die meiste Arbeit erledigte – er selbst ist schließlic­h auch CoKurator der documenta, die heuer in Athen und Kassel stattfinde­t. Man darf vermu- ten, dass sich viel vom Geist der Festwochen-Schau dort wiederfind­et – das Dokumentar­ische, das Kritische, das Erklärungs­bedürftige.

Eliten als Maden

Das absurde Ausmaß, in dem vom Publikum erwartet wird, vom Teil aufs Ganze zu schließen, ist mittlerwei­le ein Stilmerkma­l aktueller Kunst, die sich politisch gibt: Dass die Skulpturen von Naufus Ramírez-Figueroa, die an Madenschwä­rme erinnern, auf eine Verschwöru­ngstheorie verweisen, die globale Eliten als Abkömmling­e einer reptiloide­n Rasse begreift, ist schlicht nicht zu entschlüss­eln. Eine Filmdoku über Palmöl (Filipa César) wirkt wiederum sehr knapp am Journalism­us gebaut.

Den richtigen Ton trifft Ines Doujaks famose Installati­on mit Collagen aus alten Lehrbücher­n, die auf in Kolonien eingeschle­ppte Krankheite­n verweisen; ebenso John Akomfrahs bildgewalt­iger Film „Tropikos“oder die Installati­on „Our Wishes“von Jean-Pierre Beloko. Insgesamt eine sehenswert­e Schau – und sei’s nur als Aufwärmsta­tion für die documenta.

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Ahmet Öğüt lässt sein Publikum in Kohlen nach Diamanten graben
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Ines Doujak konfrontie­rt in ihrer Collageser­ie „Skins“Krankheits bilder und Symbole wie die Kröte, aus deren Haut indigene Völker psychoakti­ve Substanzen zu gewinnen wussten

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