Neuer Entdeckergeist: Man sucht einen Schatz und findet die Gier
Die Schau „The Conundrum of Imagination“erzählt alternative Kolonialgeschichten.
Hätte Österreich Nigeria kolonisiert, würden dort heute an jeder Wegkreuzung barocke Heiligenstatuen stehen.
So stellt sich das jedenfalls der aus Lagos stammende Fotograf Abraham Onoride Oghobase vor: Seine Serie von Fotomontagen hängt am Beginn der ambitionierten Ausstellung der Wiener Festwochen, die sich im Untergeschoß des Leopold Museums breitgemacht hat.
Fünf weitere Werke wurden im „Performeum“im 10. Bezirk installiert
Alles umgekehrt
Den Blick umzukehren und den Rollentausch zwischen Kolonisatoren und Kolonisierten vorstellbar zu machen, ist das Anliegen der Ausstellung, die wie vieles bei den Festwochen einen kaum übersetzbaren Namen trägt. „Kolumbus wurde von dem entdeckt, was er fand“heißt es jedenfalls in einem Gedicht James Baldwins, auf das sich der Titel „The Conundrum of Imagination“(Rätsel der Fantasie) bezieht.
Zu finden ist auch im Museum einiges: So lässt Ahmet Öğüt Besucher nach einem Objekt suchen, das gegen einen Diamanten getauscht werden kann. Bloß ist das zu findende Stück in einem Berg Kohle vergraben – wer den Schatz heben will, muss sich also schmutzig machen. Für Kurator Bonaventure Soh Bejeng Ndikung ist dies eine Paraphrase darauf, dass Ausbeutung stets in zwei Richtungen wirkt: „Wer andere dehumanisiert, dehumanisiert sich selbst.“
Ndikung gab freimütig zu, dass seine Co-Kuratorin Pauline Doutreluingne die meiste Arbeit erledigte – er selbst ist schließlich auch CoKurator der documenta, die heuer in Athen und Kassel stattfindet. Man darf vermu- ten, dass sich viel vom Geist der Festwochen-Schau dort wiederfindet – das Dokumentarische, das Kritische, das Erklärungsbedürftige.
Eliten als Maden
Das absurde Ausmaß, in dem vom Publikum erwartet wird, vom Teil aufs Ganze zu schließen, ist mittlerweile ein Stilmerkmal aktueller Kunst, die sich politisch gibt: Dass die Skulpturen von Naufus Ramírez-Figueroa, die an Madenschwärme erinnern, auf eine Verschwörungstheorie verweisen, die globale Eliten als Abkömmlinge einer reptiloiden Rasse begreift, ist schlicht nicht zu entschlüsseln. Eine Filmdoku über Palmöl (Filipa César) wirkt wiederum sehr knapp am Journalismus gebaut.
Den richtigen Ton trifft Ines Doujaks famose Installation mit Collagen aus alten Lehrbüchern, die auf in Kolonien eingeschleppte Krankheiten verweisen; ebenso John Akomfrahs bildgewaltiger Film „Tropikos“oder die Installation „Our Wishes“von Jean-Pierre Beloko. Insgesamt eine sehenswerte Schau – und sei’s nur als Aufwärmstation für die documenta.