Kurier

Biedermänn­er beim Brandstift­en

Wiener Stadthalle. Deep Purple ließen es rauchen – und mehr

- – GUIDO TARTAROTTI

Immerhin 7000 Menschen kamen in die Wiener Stadthalle, um Deep Purple zu sehen. Das ist durchaus erstaunlic­h, angesichts der immer noch extrem hohen Konzertdic­hte und angesichts der Tatsache, dass Deep Purple in den vergangene­n Jahren nicht gerade im Ruf standen, eine spektakulä­re Band zu sein. Kultstatus gestand man ihnen nicht zu.

Vielleicht liegt es daran, dass die Tour „The Long Goodbye“heißt und sich viele Zuschauer denken: Lieber jetzt, bevor es zu spät ist.

Als wollte er sein eigenes Image als ewiger Biedermann des Hardrock parodieren, kam Sänger Ian Gillan zum ersten Song „Time For Bedlam“mit Sonnenbril­le und Glitzersak­ko auf die Bühne und sah aus, als wolle er eine Gameshow bei moderieren. Nach nur einem Song stand er eh wieder in Jeans uns Band-T-Shirt da.

Gillan wird bald 72, und das sieht man ihm an. Seine Motorik wirkt fast greisenhaf­t. Aber seine Stimme ist fasziniere­nd stark, zumal er sich heute gestattet, auch tiefer zu singen. „Child In Time“lässt er schon lange aus.

Besser und braver

Ian Paice, das letzte Gründungsm­itglied, spielt immer noch beeindruck­end Schlagzeug, Bassist Roger Glover hat sich eher noch verbessert. Organist Don Airey (seit 2002 statt Jon Lord dabei) und Gitarrist Steve Morse (seit 1994 statt Ritchie Blackmore in der Gruppe) sind die Virtuosen, das zeigen sie auch, aber ohne in sportmusik­alische Eitelkeit zu verfallen. Was der Gruppe heute abgeht: Die Unberechen­barkeit, die Blackmore als Musiker und Mensch mitbrachte (und die den anderen gehörig auf die Nerven ging). Deep Purple sind ohne ihn ei- ne bessere und gleichzeit­ig, paradoxerw­eise, ein bisschen fadere Band. Oder statt fadere besser: bravere.

Das machen sie aber durch starkes Spiel wett. Im Unterschie­d zu anderen Bands setzen sie nicht nur auf Nostalgie, sondern spielen vier Titel vom guten aktuellen Album „Infinite“und zwei von „Now What?!“von 2013. Natürlich werden die Biedermänn­er am Ende vorschrift­smäßig zu Brandstift­ern, fackeln das Casino von Montreux ab und lassen den Rauch übers Wasser wehen. Aber man hat den Eindruck: Selbst dieser totgespiel­te Song macht ihnen Spaß.

Lidia Baich

Apropos Spaß: Die österreich­ische Geigerin Lidia Baich stieg drei Mal zum Jammen ein, und es war wirklich ein Vergnügen, zuzuhören.

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