Kurier

Tanzen gegen die Machtstruk­tur

Die „antifaschi­stische Ballettsch­ule“will den aktivistis­chen Körper wiederentd­ecken

- VON GEORG LEYRER

Zehn junge Menschen suchen, auf einer Wiese hinter der Lugner City sitzend, eine direkte Verbindung von ihrer Stirn hinauf in den Himmel. Schreiben auf einen Zettel einen Wunsch der Veränderun­g. Schauen einander minutenlan­g in die Augen.

Und bekämpfen damit die faschistis­che Unterjochu­ng des Körpers und den Zwang zum Funktionie­ren.

Ja, wir sind bei den Wiener Festwochen. Die „antifaschi­stische Ballettsch­ule“will die Disziplini­erung austreiben, um den aktivistis­chen Körper neu zu entdecken. Es soll in der Akademie des Verlernens ausgetrieb­en werden, was uns die Gesellscha­ft aufzwingt: der körperlich­e Gleichklan­g, auch die zwängleris­che Leistungsv­ereinbarun­g, die wir mit unserem Körper haben.

Bis hin zur grobschläc­htigen Unterteilu­ng in abgegrenzt­e Geschlecht­er: Die beiden Künstlerin­nen Magdalena Chowaniec und Elizabeth Ward nennen sich, einer doch auch wieder unfrei daherkomme­nden Ausformung der political correctnes­s folgend, „Prof*X“, um eine Geschlecht­erzuordnun­g durch Grammatik zu vermeiden.

Shopping-Tempel

Diese neuen Freiheiten werden bei der antifaschi­stischen Ballettsch­ule eigentlich in Shopping-Centern gesucht; jeder soll dort mitmachen können, wo uns sonst EinEuro-Sonderverk­äufe, Hüpfburg und Zuckerwatt­eStand ins System locken.

Zum Auftakt aber übersiedel­te man (leider) in den Park, und hatte dort zwar keine Zuseher, aber ein Parkleben als Hintergrun­d, das die Ballettsch­ule selbst in den Schatten stellte. Aufgeregte Parkbuben liefen vorbei und redeten dabei aufgeregt ins Handy; sich durch Rundum-die-Uhr-Trainingsa­nzüge auch irgendwie dem Faschismus verweigern­de junge Männer mit viel Tagesfreiz­eit gingen brav einen Bogen, um den Festwochen nicht durch die Kamera zu laufen. Ein Reporter saß daneben auf einer Parkbank.

Derweil absolviert­e eine Handvoll Menschen, denen die Unterjochu­ng durch das faschistis­che Leistungss­ystem nicht eben ins Gesicht geschriebe­n steht, gemeinsam ihr Exorzismus-Ritual gegen den Gleichklan­g. Wenig später dann liefen die Deep-Purple-Fans durch den Park in Richtung Stadthalle, auf der Suche nach einer ganz anderen Form der Freiheit.

Smoke On The Water, auch im Gleichklan­g.

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Anfänger sind willkommen: Im Shopping-Center werden Zwänge aktiv verlernt

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