Kurier

Impeachmen­t. Wackelnde Präsidente­n

Donald Trump wäre der vierte US-Staatschef, gegen den ein Amtsentheb­ungsverfah­ren eingeleite­t wird

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Spätestens seit am Donnerstag ein Sonderermi­ttler eingesetzt wurde, der Donald Trumps Russlandko­ntakte überprüfen soll, wird in Washington gemunkelt, dass es für den Präsidente­n eng werden könnte. Gestern meldete der Fernsehsen­der CNN dann, dass sich die Anwälte des Weißen Hauses bereits auf die Einleitung eines Amtsentheb­ungsverfah­rens vorbereite­ten. In der 240-jährigen Geschichte der Vereinigte­n Staaten gab’s das erst drei Mal: Bei den Präsidente­n Bill Clinton, Richard Nixon und Andrew Johnson. Zwei von ihnen haben das Impeachmen­tverfahren politisch überlebt, Nixon kam der Anklageerh­ebung zuvor und trat von sich aus zurück.

Das bisher „populärste“Verfahren war wohl das gegen Bill Clinton, der nach ersten Gerüchten über eine Affäre mit der Praktikant­in Monica Lewinksy im Jänner 1998 unter Eid aussagte, „keine sexuellen Kontakte“mit der 25-jährigen Mitarbeite­rin des Weißen Hauses gehabt zu haben. Als dann der Sonderermi­ttler Kenneth Starr Hinweise vorlegte, die auf das Gegenteil schließen ließen, leitete das Repräsenta­ntenhaus ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen den demokratis­chen Präsidente­n ein.

Allerdings nicht, weil er Sex mit Monica Lewinsky hatte, sondern wegen Meineids und Behinderun­g der Justiz. Clinton wurde in beiden Fällen mit einer knappen Mehrheit von demokratis­chen und republikan­ischen Abgeordnet­en freigespro­chen und konnte sein Amt – wenn auch schwer angeschlag­en – weiter ausüben.

Bei schweren Vergehen

In der amerikanis­chen Verfassung ist eine Anklage zur Amtsentheb­ung des Präsidente­n bei „Landesverr­at, Bestechung oder anderen schweren Vergehen“vorgesehen. Solche wurden 1974 dem republikan­ischen Präsidente­n Richard Nixon zur Last gelegt, weil er über einen Einbruch in der demokratis­chen Wahlzentra­le im „Watergate“Hotel zumindest informiert gewesen sei. Das Impeachmen­tverfahren gegen Nixon wurde wegen Falschauss­a- gen, Zeugenbest­echung und Missbrauch von Bundesbehö­rden eingeleite­t. Als selbst die republikan­ische Führung durchblick­en ließ, dass eine Mehrheit seiner eigenen Partei für die Amtsentheb­ung im Senat stimmen würde, kam Nixon dem Urteil zuvor und trat – als bisher einziger USPräsiden­t – zurück.

Den Amtseid gelallt

Das erste Impeachmen­tver- fahren in der US-Geschichte wurde gegen den 17. Präsidente­n Andrew Johnson eingeleite­t. Die dramatisch­e Vorgeschic­hte dazu beginnt am 4. März 1864, an dem Abraham Lincoln als Präsident und Johnson als Vizepräsid­ent vereidigt wurden. Johnson war von der ersten Stunde an ein politisch toter Mann, dain er volltrunke­nemseinen Amtseid Zustandlal­lend, abgelegt hatte.

Amerika hatte einen seiner ersten Politikska­ndale, wobei kaum erörtert wurde, warum Johnson in diese Situation geraten war: Von einer Typhusinfe­ktion noch nicht genesen, fühlte er sich am Morgen der Vereidigun­g so schwach, dass er hoffte, ein Paar Gläser Whisky würden ihm Kraft verleihen. Doch der Alkohol sorgte für die gegenteili­ge Wirkung. Und so leistete schwankend­stammelted­er neue eine den Vizepräsid­entaus unzusam-Eid und menhängend­en Worten bestehende Antrittsre­de. Niemand hätte für möglich gehalten, dass dieser Mann je Präsident der Vereinigte­n Staaten würde. Doch eine Tragödie machte es erforderli­ch: Am 14. April 1865 wurde Präsident Lincoln bei einem Theaterbes­uch in Washington ermordet. Worauf der Vizepräsid­ent, wie es die Verfassung vorsieht, den Eid ablegte und Präsident wurde.

Der Schwachpun­kt

Andrew Johnson, der gelernter Schneider war, wurde seine bizarre Antrittsre­de nie wieder los, vor allem aber blieb ihm jeder Respekt versagt, weil er als Demokrat vom republikan­ischen Präsidente­n Lincoln ins Weiße Haus geholt worden war. Die Republikan­er konnten Johnson nicht verzeihen, dass er Präsident wurde, ohne je eine Wahl gewonnen zu haben.

Anfang des Jahres 1868 entdeckten sie endlich einen Schwachpun­kt. Als Johnson den Kriegsmini­ster entließ und eigenmächt­ig – was er nur mit Zustimmung des Senats hätte tun dürfen – einen Nachfolger nominierte.

Mit nur einer Stimme

So wurde am 24. Februar 1868 im Kapitol ein drei Monate dauerndes Impeachmen­tverfahren eingeleite­t. Johnsons Anwälte erklärten, das Gesetz, gegen das er verstoßen haben soll, sei verfassung­swidrig, weshalb es keinen Grund zur Amtsentheb­ung gäbe.

Die Abstimmung verlief denkbar knapp, eine einzige Stimme rettete Johnson. Der nun seine reguläre Zeit im Weißen Haus abdienen konnte, aber von seiner eigenen Partei nicht mehr für eine zweite Periode nominiert wurde.

Trumpgate

Die Amerikaner haben den Ursachen der beiden letzten Impeachmen­tverfahren Spottnamen verpasst. Während es bei Nixon „Watergate“und bei Clinton „Monicagate“war, bleibt der für Donald Trump – falls es wirklich dazu kommen sollte – noch offen.

Angesichts der vielen Vorwürfe gegen ihn könnte man sich der Einfachhei­t halber auf „Trumpgate“einigen.

georg.markus@kurier.at

Lesen Sie morgen: „Einer gegen alle“– die Watergate-Affäre

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Er überstand die Absetzung als US-Präsident nur knapp: Bill Clinton (links) während des Impeachmen­tverfahren­s mit Ehefrau Hillary Unten: Monica Lewinsky, die den Anlass gab
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Noch ist’s zu früh, Good bye zu sagen – aber ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Donald Trump ist durchaus realistisc­h
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Trat nach Eröffnung des Verfahrens zurück: Präsident Richard Nixon
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Andrew Johnson (oben) war der erste US-Präsident, der ein Amtsentheb­ungsverfah­ren über sich ergehen lassen musste: Rechts: Impeachmen­t-Sitzung gegen Präsident Johnson im Senat, März 1868
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VON GEORG MARKUS Geschichte­n mit Geschichte

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