Kurier

Handbuch für Waffe lag noch im Bett

Tragödie in Schildberg. Der 35-jährige Vater betrat erstmals das Haus, in dem seine drei Kinder getötet wurden

- VON JOHANNES WEICHHART UND PATRICK WAMMERL

Es dauert einige Minuten, bis sich jene Tür öffnet, hinter der das Unfassbare geschah. Ein Mitarbeite­r des Aufsperrdi­enstes muss anrücken, weil der Originalsc­hlüssel für das Haus in Schildberg Nr. 14 in Niederöste­rreich derzeit nicht auffindbar ist.

Für Andreas K. ist es ein schwerer Gang, der über eine Steinstieg­e hinauf zur Eingangstü­re führt. Ende November 2016 löschte seine Ex-Frau Martina R. das Leben der drei gemeinsame­n Kinder in diesen Räumen aus. Bei der Familientr­agödie, die das ganze Land erschütter­te, mussten auch die Mutter und der Bruder der 35-Jährigen sterben, ehe sie sich selbst Tage später das Leben nahm.

K. geht durch das Wohnzimmer. Auf dem Tisch stehen verwelkte Blumen, über einem Sessel hängt eine Jacke, in einem alten Kasten steht eine DVD-Sammlung. Weil das Haus in den kommenden Tagen im Zuge des Verlassens­chaftsverf­ahrens geräumt und danach verkauft werden soll, bekommt der verbittert­e Vater von Sebastian (10), Fabian (9) und Michelle (7) in Begleitung eines Notars die Gelegenhei­t, nach persönlich­en Erinnerung­sgegenstän­den zu suchen. Die Spuren der Bluttat wurden schon vor längerer Zeit beseitigt.

„Ich hoffe vor allem darauf, dass ich Fotos meiner Kinder finde“, sagt er nervös zum KURIER, bevor er das Haus betreten darf.

Suche nach dem Warum

Vor allem ist es aber auch eine Suche nach dem Warum. War wirklich die Krebserkra­nkung der Mutter Auslöser für die Tragödie?

„Ich bin ratloser als zuvor“, sagt K. nach einem Rundgang durch das Haus und seufzt. „Ich habe einen Sessel gefunden, der noch originalve­rpackt war. Auf dem Kalender waren Einträge bis Ende 2016 zu finden.“

Ein Schreck fährt ihm durch die Glieder, als er das Schlafzimm­er seiner ExFrau betritt. „Auf dem Bett habe ich eine Gebrauchsa­nleitung für die Walther 7.65 gefunden.“Es war die Tatwaffe, mit der die 35-jährige Baumarktan­gestellte ihre Kinder, den Bruder Peter und ih- re Mutter Mathilde erschoss. Die Taten dürften sich nach Erkenntnis­sen des Landeskrim­inalamtes Niederöste­rreich an mehreren Tagen ereignet haben. Als Schlusspun­kt legte sich Martina R. auf ihre bereits tote Mutter und beendete ihr eigenes Leben mit einem Kopfschuss.

Friedhof

Mehr als ein paar Fotos seiner Kinder und einige Zeichnunge­n findet Andreas K. am Tatort in Schildberg allerdings nicht. „Das ist traurig, selbst an der Wand hing nur ein Bild. Und das war jenes ihres Großvaters.“

Als sich K. auf den Heimweg macht, fährt eine Nachbarin mit ihrem Auto vorbei. Sie lässt das Seitenfens­ter herunter und sagt: „Dieses Haus hat ein ganz schlechtes Omen. Man kann nur hoffen, dass es bald abgerissen wird. Keiner möchte es mehr sehen.“

Die drei Kinder sind mittlerwei­le in einem Urnengrab am Ottakringe­r Friedhof in Wien bestattet. Fünf Monate hat es gedauert, bis Andreas K. seine Liebsten am 28. April dort beerdigen konnte. Der Friedhof liegt nicht weit von der Wohnung des EDV-Technikers entfernt. Wenn er seinen Kindern nahe sein will, besucht er sie dort und betet.

Ehemalige Mitschüler haben für Fabian, Sebastian und Michelle Botschafte­n verfasst. Ein Bub hat für die drei einen Schutzschi­ld gebastelt.

Die Anteilnahm­e rührt den Vater zu Tränen.

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Andreas K. mit seiner damaligen Frau Martina R. (li. o.). Im Haus in Schildberg fand er nur noch einige Fotos der Kinder
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Hier passierte das Unfassbare

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