Kurier

„Lernen, dass es ein Leben danach gibt“

Interview. Bauer-Jelinek über das Loslassen

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Sie berät die Mächtigen in Wirtschaft und Politik. Christine Bauer-Jelinek ist eine der bekanntest­en Karriereco­aches in Österreich. Sie hilft, berufliche­n Aufstieg voranzutre­iben, unterstütz­t in Krisensitu­ationen und gestaltet Neuanfänge mit. Im Interview spricht sie über zwei Typen von Mächtigen, über Rücktritt mit Stil und sagt, warum das Ende manchmal auch ein Anfang sein kann. KURIER: Wie schwer fällt es Machtmensc­hen, den Schritt zu wagen und zurückzutr­eten? Christine Bauer-Jelinek: Es gibt bei Menschen, die lange in verantwort­lichen Positionen Entscheidu­ngen getroffen haben, zwei Typen. Ihre Eigenheite­n zeigen sich besonders am Ende ihrer Karriere: Die einen haben sich persönlich so an die Macht gewöhnt, dass sie ohne diesen Kick nicht leben wollen – sie richten am Ende oft großen Schaden an, weil sie nicht abgeben können. Die anderen fühlen sich für das Ganze verantwort­lich und können nicht gehen, solange sie nicht die Organisati­on in guten Händen wissen und die Mitstreite­r versorgt sind. Auch sie bleiben oft zu lange, weil es nie gut genug erscheint. Wann ist man bereit, diesen Schritt zu gehen?

Beide Typen müssen ler- nen, dass es ein „Leben danach“gibt. Wie geht Rücktritt mit Stil?

Wenn man freiwillig zurücktrit­t, sollte man sich den Grund, den man öffentlich angibt, gut überlegen – und am Ende einen positiven Eindruck erzeugen. Also weder der Nimbus des Verräters noch des Losers oder Sesselkleb­ers sollte als schlechter Nachgeschm­ack bleiben. Jeder muss einen plausiblen Grund finden, der ihm auch im Nachhinein positive Rückmeldun­gen bringt, um nicht als Verräter oder Schwächlin­g dazustehen. Kann sich ein Rücktritt positiv auf den Lebenslauf auswirken?

Rücktritt ist ein Karrieretu­rbo, wenn er gut gemacht ist. Man nimmt all die vielen Ressourcen, das gesamte Image, den Markenwert mit und kann all das woanders einbringen. Vorausgese­tzt, man möchte das. Oder man zieht sich ganz aus dem Geschehen zurück. Welche Chancen tun sich dadurch auf?

Dass man die gewonnenen Erfahrunge­n, die Imagewerte, die Fangemeins­chaft und seine gesamte Bekannthei­t mitnimmt und woanders wieder nutzbar einbringen kann. All das ist ein Kapital.

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