Kurier

„Plácido, wir lieben dich!“

- GERT KORENTSCHN­IG

50 Jahre nach seinem Debüt sang Domingo eine Gala an der Wiener Staatsoper. In der per se schon superlativ­ischen Opernszene ist die Freude an höchsten Steigerung­sformen besonders groß. Daher sei auch hier gleich betont: Müsste der Autor dieser Zeilen den größten Sänger der vergangene­n Jahrzehnte wählen, er entschiede sich für Plácido Domingo.

Zunächst schon aufgrund des Repertoire­s: Der 76-Jährige hat mittlerwei­le knapp 150 verschiede­ne Partien gesungen – mehr als jeder andere (an der Wiener Staatsoper waren es 29 als Tenor und drei als Bariton). Er ist bisher mehr als 3800-mal aufgetrete­n (im Haus am Ring 253-mal). Und er wurde in Wien nach einer „Otello“-Aufführung 101-mal vor den Vorhang gebeten – auch das ist Weltrekord.

Freilich aber auch wegen seiner sängerisch­en Qualitäten, wegen seiner unverkennb­aren Timbres, wegen seiner stupenden Technik und seiner hohen Phrasierun­gskunst.

Seit einigen Jahren ist er nicht mehr Tenor, sondern im Bariton-Fach tätig. Und selbstvers­tändlich dirigiert er immer wieder, was er beim Galakon- zert anlässlich seines 50-JahrJubilä­ums an der Staatsoper nicht musste, weil ihm Marco Armiliato diesen Job (phasenweis­e recht ruppig) abnahm.

Auf dem Programm des Verdi-Abends stand nach der „Nabucco“-Ouvertüre sogar ein Debüt: Domingo als René Ankarström im 3. Akt von „Maskenball“. Danach gab es den 2. Akt aus „Traviata“mit Domingo als altem Germont, sowie das Finale aus „Simon Boccanegra“– alles zutiefst berührend, mit Domingos einzigarti­ger baritenora­ler Kreation. An seiner Seite waren Sonya Yoncheva als Violetta zu hören (die Allerbeste), Dmitry Korchak als Alfredo, Ramón Vargas als Gustaf III./Gabriele Adorno, Ana Maria Martínez jeweils als Amelia etc.

Das Publikum erlebte eine weihevolle, wenn auch dramaturgi­sch krude Gala. Jubelte und entrollte wie im Stadion Transparen­te („Plácido, wir lieben dich!“). Und manche freuen sich bereits, dass er im Juni ein weiteres Debüt in Wien gibt: den Marquis von Posa, Jugendfreu­nd des Don Carlo – den Infanten hatte er 1967 bei seinem ersten Auftritt in Wien gesungen. Aber bei Domingo ist es ja nicht primär wichtig, was er singt, sondern dass er singt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria