Kurier

Watergate. Mit Manipulati­on und Machtmissb­rauch demontiert­e sich US-Präsident Nixon. Der Fall ist aktueller denn je

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Die Botschaft auf den Plakaten der Demonstran­ten ist heute wie damals selbe: „Impeachmen­t“

(Amtsentheb­ungsverfah­ren). Was Donald Trump vielleicht droht, konnte Richard Nixon durch seinen Rücktritt verhindern. Betrug, Vertuschun­g und Missbrauch seiner Macht kosteten ihn vor mehr als 40 Jahren sein Amt. Er zerstörte sich selbst und das Vertrauen der US-Bürger in die Politik. Wie es so weit kommen konnte? Alles der Reihe nach.

Der Krieg, den Richard Nixon führte, begann lange vor seiner Präsidents­chaft. In Yorba Linda, Kalifornie­n, wo sich der Mann aus einfachen Verhältnis­sen seine politische Karriere hart erkämpfen musste. Häme und Spott erfuhr er von den „elitären Kreisen“in Washington, auf die er einen tiefen Hass entwickelt­e, berichtet Politologe Reinhard Heinisch. „Der Watergate-Skandal lässt sich kaum von seiner Persönlich­keitsstruk­tur trennen.“Ein Teil davon bestand aus Angst und Misstrauen, etwa gegenüber den Kennedys.

1960 trat der Republikan­er Nixon zum ersten Mal als Präsidents­chaftskand­idat an und verlor äußerst knapp gegen John F. Kennedy. Experte Heinisch: „Nixon war überzeugt, dass ihm der Sieg gestohlen wurde, das ließ ihn nicht mehr los.“Als er es 1969 endlich schaffte, sah er sich im „Feindeslan­d“stehen: Der Kongress war demokratis­ch, er konnte sich nur auf wenige Verbündete verlassen und reagierte misstrauis­ch. Dies ließ ihn auch seinen ersten großen Fehler begehen: „Aus der Furcht heraus, dass ihm bei der Wiederwahl die Präsidents­chaft gestohlen wird, war die Verlockung groß, über Vertraute einen Wahlsieg der Demokraten zu verhindern.“Nixons Männer brachen 1972 in deren Zentrale ein, im „Watergate“-Büro-HotelKompl­ex, und wurden erwischt.

Journalist­en übernehmen

Mit Schweigege­ld und zweifelhaf­ten Angeboten gelang es ihm zunächst, alles zu vertuschen. Für Reporter der Washington Post steckte aber mehr dahinter, als ein „Supermarkt-Einbruch“, wie es Nixon abtat. Noch bevor die Staatsanwä­lte ermittelte­n, übernahmen die Jour- nalisten. Zu Medien hatte Nixon ein ebenso schlechtes Verhältnis wie der aktuelle Amtsinhabe­r. Berüchtigt ist Nixons „Feindeslis­te“, auf der zig Kolumniste­n standen. „,Die Presse ist der Feind, die Presse ist der Feind. Das Establishm­ent ist der Feind, die Professore­n sind der Feind.’ Schreib das 100 Mal an eine Tafel“, sagte er seinem Sicherheit­sberater Henry Kissinger.

Experte Heinisch ortet dahinter Paranoia, die auch zum Bruch mit seinen letzten Vertrauten führte. „Nixon wollte alles kontrollie­ren, auch das FBI, als es anfing, wegen des Einbruchs zu ermitteln.“Aber der Kampf war nicht mehr zu gewinnen, selbst als er den Sonderermi­ttler entließ. Sein Kontrollwa­hn brachte ihn zu Fall: Was wenige wussten, im „Oval Office“wurde alles mitgeschni­tten – Nixon schrieb seine Memoiren und wollte kein Gespräch vergessen. Mit dieser Informatio­n fand man einen Weg, ihn zu überführen. Da half auch kein „executive privilege“(Aussagever

weigerungs­recht). Der Oberste Gerichtsho­f entschied, dass er sich darauf bei einem Kriminalde­likt, wie dem Einbruch, nicht berufen konnte. Nixon musste die Tonbänder rausrücken. Darauf war zu hören, dass er persönlich befahl, die Justizermi­ttlungen zu behindern.

Dieser Machtmissb­rauch überlagert seine Person und sein außenpolit­isches Erbe – bis heute. Denn dass er den Vietnamkri­eg beendete oder das Verhältnis zu China stabilisie­rte, geriet in Vergessenh­eit.

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