Kurier

Israel: Trumps Besuch wirft Schatten voraus

- – NORBERT JESSEN, TEL AVIV

Uneingelös­te Verspreche­n. Der Wahlkämpfe­r Donald Trump galt unter Israels Rechten als Messias. Jetzt kommt er als US-Präsident und offizielle­r Staatsgast nach Israel – doch nicht mehr als politische­r Erlöser. Im Gegenteil: Für viele auf der Rechten ist er nun „Obama II“. Wohl zu Unrecht: Trumps Vorgänger hatte zwar keine Freunde unter Israels Rechten, seine militärisc­he Hilfe an Israel übertraf an Qualität und Quantität aber die all seiner Vorgänger. Trump schloss in Saudi Arabien Waffengesc­häfte im Wert von 110 Mrd. Dollar ab. Nach Israel kommt er mit nicht eingehalte­nen Verspreche­n.

Versproche­n hatte er den Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Was als Anerkennun­g des umstritten­en Hauptstadt-Status gelten würde. „Missverstä­ndnisse“dieser Art will Trump wie all seine Vorgänger vermeiden. Darum auch soll Israels Premier Benjamin Netanjahu beim Besuch der umstritten­en Altstadt nicht an seiner Seite sein. So weit, so klar.

Israels Rechte hadert

„Das ist aber nicht endgültig“, erklärt er dann am Wochenende im Interview mit dem von Netanjahus Freunden finanziert­en Kostenlos-Blatt HaYom. Darf Netanjahu also doch dabei sein? Das Konkurrenz­blatt Haaretz spöttelte: „Im Flick-Flack übertrifft ihn keiner.“

Trump war noch nicht gelandet, da sprach Israels Kabinett am Sonntag bereits über mögliche US-Vorschläge, wie neue Verhandlun­gen mit den Palästinen­sern starten können. Im Raum stand die Drohung Bennetts, die Koalition mit dem Likud zu sprengen. Aber selbst rechten Wählern wäre eine automatisc­he Ablehnung aller Pläne Trumps schwer zu erklären.

Auch die Linke beobachtet den Gast zwiespälti­g. Dem neuen Botschafte­r David Friedmann, ein enger Vertrauter Trumps und Freund des Siedlungsb­aus, empfahl die Abgeordnet­e Sahava Galon noch im April: „Ziehen Sie doch am besten gleich zu ihren Siedler-Freunden.“Jetzt hofft sie: „Seine persönlich­e Meinung ist irrelevant. Er wird Trumps Anweisunge­n folgen müssen.“Und der frustriert bislang linke Israelis weniger als rechte.

Zipi Livni, die Israel mehrfach bei Verhandlun­gen vertrat, sprach als Opposition­sabgeordne­te bereits mehrfach mit Trumps Nahost-Berater Jason Greenblatt: „Der redet nicht um den heißen Brei. Da zeichnen sich dramatisch­e Entwicklun­gen ab.“

Palästinen­serpräside­nt Machmud Abbas traf Trump bereits in Washington. Die Gewissheit in Ramallah, mit Trump sitze ein Palästinen­ser-Fresser im Weißen Haus, schlägt in hoffnungsv­ollere Erwartung um. Jibril Rajoub, ein Fatah-Funktionär mit Hoffnungen auf Abbas’ Nachfolge, hält sogar eine Verlegung der US-Botschaft für möglich: „Wenn er gleichzeit­ig eine für die Palästinen­ser in Ost-Jerusalem eröffnet, wäre das nur zu begrüßen.“

Trumps Vorschläge sind nicht ultimativ, er belässt beiden Seiten Spielraum. Auch so hat Israel verstanden, dass der Bau neuer Siedlungen ein Affront gegen Trump wäre. Den will auch die Regierung in Ramallah vermeiden. Erste Schritte auf beiden Seiten zu einer Klimaverbe­sserung.

Erwartunge­n verlagern sich. Fronten lockern sich auf. Trump wirft seinen Schatten in Nahost voraus. Doch auch hier fragen sich alle, wie kurz sein Schatten in Washington fallen kann.

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