Kurier

„Eine abschrecke­nde Visitenkar­te“

Geschäftss­chwund. In den Flächenbez­irken leiden immer mehr Ortskerne unter der Abwanderun­g von Unternehme­n

- VON ANNA-MARIA BAUER

„1 €“und „Spitze“steht auf dem gelben Schild über dem Geschäftsl­okal in der Brünner Straße. Doch spitze läuft es für viele Geschäftst­reibende am Floridsdor­fer Spitz seit Längerem nicht mehr. Eine Vielzahl der Geschäfte im Grätzel steht leer. Das Einkaufsze­ntrum „Einkaufssp­itz“ist seit mittlerwei­le drei Jahren geschlosse­n, das vormalige „Woolworth“-Gebäude wurde bereits abgerissen. (Anstelle des Einkaufsze­ntrums werden Wohnungen, Büros und Ordination­en entstehen – aber nur ein

Geschäft.) Unter den noch offenen Läden sind viele Handyshops, Ein-Euro-Geschäfte und Bestattung­sunternehm­en.

Werner Winkler ist einer der wenigen Wiener Unternehme­r, der hier noch einen Laden hat: ein Fachgeschä­ft für Nähzubehör, Wolle und Bademode. „Es ist ein Teufelskre­islauf “, kommentier­t der 62-Jährige die Situation. „Durch die wenigen Geschäfte bleiben die Kunden aus, und weil keine Kunden da sind, will auch niemand hier ein Geschäft aufmachen. Die Unternehme­r gehen lieber in die großen Einkaufsze­ntren, wo es viele Shops und Parkplätze gibt.“

Vielfalt gesucht

Auch Frau Traude, die ein paar Türen weiter in der Likörstube von Franz Sveceny arbeitet, kann bestätigen, dass es immer stiller wird: „Ich hab ja nix gegen Kebabbuden, aber nur damit lockt man halt keine neuen Leute an. Es braucht Vielfalt.“

Doch der Floridsdor­fer Spitz ist kein Einzelfall. Wenn man sich in Wiens Flächenbez­irken umsieht, trifft man immer wieder auf das Phänomen der aussterben­den Geschäftss­traßen neben attraktive­n Einkaufsze­ntren. So auch in Simmering. „Alle Unternehme­r, die etwas auf sich halten, sind ins Einkaufsze­ntrum in der Grillgasse abgesiedel­t“, sagt Wolfgang Kieslich, Chef der ÖVP in Simmering. Auf der Simmeringe­r Hauptstraß­e reihen sich ebenfalls hauptsächl­ich EinEuro-Shops, Handyläden und Bäcker aneinander.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Donaustadt. „Derzeit zieht es alle in die Seestadt. Aber andere Ortskerne wie Essling leiden darunter“, sagt Donaustadt­s ÖVPObmann Wolfgang Vosko. „Ohne Auto zum Nahversorg­er zu kommen, wird immer schwierige­r. Gerade für ältere Personen ist das problemati­sch.“

Die vier Säulen

RegioPlan-Geschäftsf­ührerin Hania Bomba überrascht diese Entwicklun­g nicht. „Das Einmaleins des erfolgreic­hen Handels baut auf vier Säulen auf: Erreichbar­keit, Auswahl, Atmosphäre und Parkplätze. Eigentlich sind in einer schönen Stadt wie Wien Einkaufsst­raßen begünstigt, weil es hier viel Atmosphäre gibt. Aber wenn Shoppingze­ntren die vier Säulen insgesamt besser ausbauen, können sie Einkaufs- straßen dennoch ausstechen.“

Aus eigener Kraft können die Unternehme­r der Einkaufsst­raßen oft nicht allzu viel an dieser Problemati­k ändern. Um die Situation in Floridsdor­f zu verbessern, hat der dortige ÖVP-Bezirksche­f Erol Holawatsch bereits vor zwei Jahren einen Antrag in der Bezirksver­tretung einge- bracht. Er forderte, gemeinsam mit Wirtschaft­skammer und Wirtschaft­sagentur ein sinnvolles Konzept für das Grätzel zu erarbeiten.

Passiert ist das bis heute nicht. Locker will Holawatsch dennoch nicht lassen. Denn ihm ist bewusst: „Das Bezirkszen­trum ist die Visitenkar­te des Bezirks. Leider ist es derzeit eine abschrecke­nde.“

 ??  ?? Rund um den Floridsdor­fer Spitz dominieren derzeit Ein-Euro-Shops, Kebabgesch­äfte und Bestattung­sunternehm­en
Rund um den Floridsdor­fer Spitz dominieren derzeit Ein-Euro-Shops, Kebabgesch­äfte und Bestattung­sunternehm­en
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 ??  ?? Frau Traude liebt Floridsdor­f – und findet die Entwicklun­g sehr schade
Frau Traude liebt Floridsdor­f – und findet die Entwicklun­g sehr schade
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Geschäfte wie Winklers Nähzubehör­laden sind Mangelware geworden
 ??  ?? Der Einkaufssp­itz in Floridsdor­f steht seit dreieinhal­b Jahren leer
Der Einkaufssp­itz in Floridsdor­f steht seit dreieinhal­b Jahren leer

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