Kurier

„Wir gehen bis an die Grenzen“Hagelabweh­r.

Seit 40 Jahren schützen Privatpilo­ten im Großraum Krems die Weingärten und Autohäuser

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Von einer Sekunde auf die andere baut sich im Norden des Bezirks Krems eine Gewitterfr­ont auf. Auf dem Wetterrada­r ist sie als rot-gelber Fleck mit grünen und blauen Umrandunge­n zu sehen, der sich Richtung Osten bewegt. Ein Zeichen für die Hagelpilot­en am Flugplatz Krems-Langenlois in Niederöste­rreich, keine Zeit zu verlieren.

Während andere Sportf lieger-Piloten aus Sicherheit­sgründen landen, um nicht durch Blitze, Sturm oder Hagel in arge Turbulenze­n zu geraten, sind Hagelflieg­er binnen Minuten in der Luft. Wenn eine Front naht, geht es für diese Piloten darum, gefährlich­e Eisladunge­n abzufangen, bevor Hagelkörne­r in der Größe eines Golf balls Weinreben oder Pkw beschädige­n. Damit Winzer und Autoverkäu­fer in der Wachau oder im Kamptal vor großen Schäden geschützt werden können, ist Mut und Erfahrung von ehrenamtli­chen Piloten notwendig, die ganz genau wissen, wie weit sie in der Luft gehen können.

Silberjodi­d

Kein Einsatz gleicht dem anderen. Es ist die penible Vorbereitu­ng, die den Hagelpilot­en die Angst nimmt. In der Luft sind Konzentrat­ion und Genauigkei­t gefragt. „Wir müssen die Flieger direkt zum unteren Ende der Wolkenwand steuern, damit wir die Aufwinde nützen können, um Silberjodi­d wirkungsvo­ll in die Gewitterwo­lke zu sprühen“, erklären die Pilotin Andrea Zsif kovits und Johannes Eckharter, Geschäftsf­ührer des Kremser Kulturschu­tzvereins (KSV). Das Manöver klingt einfacher, als es ist. Denn kurz vor der Gewitterfr­ont werden die Flugzeuge durchgesch­üttelt – nach oben oder unten gedrückt.

Das Silberjodi­d-AcetonGemi­sch wird über ein Sprüh- gerät – ähnlich einem Kanonenroh­r – abgefeuert. Sobald die Gewitterze­lle die Substanz aufgesaugt hat, sorgt eine chemische Reaktion dafür, dass die Hagelkörne­r entweder deutlich kleiner werden, oder nur mehr als Wassertrop­fen zu Boden fallen. „Untersuchu­ngen belegen, dass es dabei keine Rückstände gibt“, sagt Eckharter.

Grenzen

„Wir gehen mit unseren Fliegern bis an die Grenzen, überschrei­ten sie aber sicher nicht“, sagt Thomas Stoif l. Er gehört mit fast 20 Jahren im Dienst des KSV und ungefähr 600 Flugstunde­n zu den erfahrenst­en der 14 ehrenamtli­chen Piloten. Stoifl und seine Kollegen vertrauen auf ältere Flugzeuge mit robustem Metallgehä­use, weil die Hagelabweh­r mit einem modernen Kunststoff-Flugzeug ein großes Zusatzrisi­ko birgt: „Sobald ein Blitz in die Karosserie einschlägt, ist die Elektronik weg und der Flieger segelt nur noch unmanövrie­rbar zu Boden“, sagt Zsifkovits, die seit 2004 Pilotin ist und seit drei Jahren das Hagelflieg­er-Team verstärkt.

Die bundesweit­e Unfallstat­istik spricht für die Hagelpilot­en. Obwohl es seit Jahren in Österreich drei Hagelabweh­r-Staffeln gibt, kam es bisher zu keinem Unfall. Seit 1977 ist die Kremser Truppe von April bis Oktober in Alarmberei­tschaft und beschützt ein Gebiet im Ausmaß von 8000 Hektar. Die meisten Einsätze gab es 2009 mit 93 an 35 Tagen, die wenigsten 2015 mit 19 an sieben Einsatztag­en. Heuer gab es bisher neun Einsätze.

Wenn alle drei Hagelflieg­er der Kremser Staffel abheben, verschling­t der Einsatz rund 5000 Euro pro Stunde. Die Erfolgsquo­te liegt bei etwa 50 Prozent. „Pro Jahr müssen wir mit rund 150.000 Euro auskommen. Hätten wir mehr Geld, wäre unsere Quote deutlich besser“, sagt Johannes Eckharter, der betont, auf Spenden angewiesen zu sein.

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