Wiener Warenhaus-Pioniere
Ausstellung. Konsumtempel von anno dazumal: „Kauft bei Juden!“im Jüdischen Museum Wien
Es sei erinnert an eine verschwundene Welt, an die goldenen Zeiten der k. u. k. Hoflieferanten und der großen Kauf häuser in Wien, die einst vielfach auf Initiative von Geschäftsleuten mit jüdischem Hintergrund entstanden sind.
Sie waren jene „Kathedralen des Handels“, wie sie der französische Schriftsteller Émile Zola pries, die das Konsumverhalten der Menschen der westlichen Welt revolutionierten.
Aber das meiste von dem, was die Ausstellung mit dem bewusst provokanten Titel „Kauft bei Juden!“(bis 19. 11.) im Jüdischen Museum Wien im Palais Eskeles in der Dorotheergasse zeigt, existiert durch die Zäsur der Schoa so gut wie nicht mehr. Erzählt wird die zerstörte Geschichte einer Wiener Geschäftskultur.
Verwirklicht wurde dabei die Idee vom Kauf haus als einer Bühne, als einer Art Illusionstheater, in der die Ware inszeniert und in „Erlebnisräumen“lustvoll einherwandelnden Kunden nahegebracht wird.
Konsumpaläste
Das in den 1890er-Jahren eröffnete Kauf haus Rothberger auf dem Stephansplatz: Es bekam in der Stadt die ersten elektrischen Aufzüge oder Rolltreppen eingebaut, wurde „arisiert“und ist zu Kriegsende im April 1945 ausgebrannt.
Eine längst vergessene Institution war auch die luxuriöse „Maison Zwieback“auf der Kärntner Straße 11: Die exzentrische Kauf hausbetreiberin Ella Zirner-Zwieback – Großmutter des Schauspielers August Zirner („Homo Faber“, „Die Fälscher“) – konnte sich als einzige Frau in einer Männerdomäne behaupten, wurde 1938 kurz nach dem „Anschluss“enteignet und lebte – nach ihrer Flucht nach Amerika – bis zu ihrem Tod 1970 mit 91 Jahren in New York.
Ein rares Überbleibsel alter Pracht ist neben der denkmalgeschützten Innenausstattung des Wäschewarenherstellers Braun & Co. am Graben – heute von einem „Fast Fashion“-Billigmodelabel betrieben – das LoosHaus am Michaelerplatz.
Es war wegen seiner schmucklosen Fassade der größte Architekturskandal in Österreichs Geschichte und bekanntlich nicht immer eine Bank, sondern während der Monarchie und bis in die 1930er-Jahre das Domizil von Goldman & Salatsch. Der exklusive Herrenausstatter überstand zwar den Ersten Weltkrieg, wurde aber vor dem Ausbruch des Zweiten aufgelöst.
Oder der Gerngross mit einst mondäner Innenarchitektur: zuerst „arisiert“und in „Kaufhaus der Wiener“umbenannt, dann geplündert, beschädigt und wieder aufgebaut – und bei einem Großbrand 1979 in seiner ursprünglichen Form zerstört.
Die Restitution an die Pioniere der eleganten Geschäftskultur und deren Nachkommen fiel in aller Regel „mager aus“, sagt JMW- Direktorin Danielle Spera. Die Schau präsentiert neben alten Fotos, Gemälden, Zeitungsartikeln und Plakaten auch einige der seinerzeit in den jüdischen Geschäften verkauften Kleider, die – mit der Flucht vieler Juden in alle Welt verstreut – „nun erstmals wieder nach Wien zurückgekehrt sind“, sagt die Kuratorin Astrid Peterle, die vor allem Leihgaben von einem Sammler historischer Kostüme in Kanada acquirieren konnte. „Auch Kleider von Zwieback sind dabei.“
Zuwanderer
Außer über die aus dem Stadtbild verschwundenen alten Konsumtempeln der Glückseligkeit erzählt die Ausstellung auch vom Textilviertel, umgangssprachlich „Schmattes“-Viertel (vom Jiddischen für Fetzen, Lumpen) genannt, das Mitte des 19. Jahrhunderts in der Innenstadt rund um den Rudolfsplatz und den Salzgries entstand. Wo Zuwanderer mit Textilien handelten und die Erfolge u.a. der Hoflieferanten Wilhelm Jungmann & Neffe und Knize begonnen haben. Während in den sogenannten Vorstadtwarenhäusern wie Dichter in Ottakring, Krupnik in Neubau und Wodicka in Floridsdorf vor allem an Kunden mit kleinerem Budget verkauften.
Übrigens, ein „Architekt des amerikanischen Traums“kam auch aus Wien: Victor Gruen, als Viktor David Grünbaum 1903 geboren, gilt als Erfinder der Shopping Mall und der 1974 gegen heftigen Protest auf der Kärntner Straße entstandenen Fußgängerzone. Sein Argument: „Autos kaufen nichts.“