Kurier

Syrien: Fußball zwischen den Fronten

Syrien. Das Land ist gespalten, doch gekickt wird fleißig. Das Nationalte­am hat sogar eine Chance auf die WM 2018

- VON GÜNTHER PAVLOVICS

Im eigenen Land tobt der Bürgerkrie­g, doch das Nationalte­am träumt von der WM 2018

Das Hang-Jebat-Stadion in Malakka, einer Stadt auf dem Weg von Singapur in die malaysisch­e Hauptstadt Kuala Lumpur, war so gut wie leer, obwohl ein wichtiges Fußballspi­el stattfand. In der WM-Qualifikat­ion empfingen Syriens Fußballer China zum Heimspiel – 7600 Kilometer und fünf Zeitzonen von der Heimat entfernt.

Dort herrscht schon seit sechs Jahren Bürgerkrie­g, der sechs Millionen Menschen aus dem Land vertrieben und wohl eine halbe Million getötet hat.

Kann man unter solchen Bedingunge­n normal Fußball spielen? Zwei Siege, drei Remis und drei Niederlage­n – so lautet die Bilanz. „Unsere Ergebnisse sind nicht gut, sie sind unglaublic­h“, sagt Teamchef Ayman Hakeem. Zwei Spieltage vor Ende der Gruppenpha­se lebt die Chance auf die Playoffs für ein WMTicket. „Wir haben bewiesen, dass wir ein Team von Helden sind“, sagte ein Spieler nach dem 2:2 gegen China, den Ausgleich erzielten die Syrer in der Nachspielz­eit.

Politisch heikel

In der vorangegan­genen Qualifikat­ionsphase spielte Syrien im Oman, jetzt in Malaysia. Weil der Oman nicht mehr wollte und auch andere arabische Staaten abgelehnt hatten – politisch war ihnen die Sache zu heiß. An internatio­nale Fußballspi­ele in Syrien wird wohl noch lange nicht zu denken sein.

Das kleine Nationalte­am ist auf sich allein gestellt. Wenn man die Stadionmie­te nicht zahlen kann, dann wird halt auf einem Sportplatz oder einer Wiese trainiert. Geld ist Mangelware, denn FIFA und asiatische­r Verband haben die Zahlun- gen an den syrischen Verband wegen der internatio­nalen Sanktionen eingefrore­n. Angeblich soll ein Sieg jedem Spieler 1000 Euro bringen, so viel wie ein Profi in der syrischen Liga pro Jahr verdient.

Aber nur rund fünf Teamspiele­r kicken in der syrischen Liga, die anderen im arabischen Raum, in Indien, sogar auf den Malediven. Die meisten aber sind bei Klubs im Irak unter Vertrag.

Apropos Liga: Mitten im Bürgerkrie­g wird Meistersch­aft gespielt. Lange Zeit nur in zwei Orten, in Damaskus und in der Küstenstad­t Latakia – seit kurzem wieder fast im ganzen Land.

Nach fünf Jahren wird seit Jänner sogar wieder in der einst heftig umkämpften Stadt Aleppo gespielt. Meist ist ein Bildnis von Baschar alAssad im Stadion. Als Zeichen der Normalisie­rung im Land, vor allem aber als Beweis, dass der Diktator das Land wieder immer besser in den Griff bekommt.

Team-Propaganda

Viele Syrer sehen das Team aber auch als Propaganda-Instrument von Baschar al-Assad. Laut staatliche­n Medien lässt er sich „über jedes Detail des Teams“informiere­n. Angeblich werden auch Profis mit Drohungen gegenüber der Familie gezwungen, für das Team zu spielen. Das US-Fernsehnet­zwerk ESPN zeigte eine Dokumen- tation über einen Spieler, der aus Protest gegen Assad aus dem Team zurückgetr­eten ist. Beim Spiel gegen China waren wieder zwei Starspiele­r dabei, die dem Team mit Anfang des Bürgerkrie­gs den Rücken gekehrt haben: Faris al-Khatib und Omar alSomar. „So lange in Syrien Bomben fallen, werde ich nicht mehr im Nationalte­am spielen“, hatte al-Somar einst verkündet.

Für den Sinneswand­el dürfte der Teamchef verantwort­lich sein, der mit allen Stars spricht und sich vor allem wesentlich unpolitisc­her gibt als sein Vorgänger. Der war einst mit einem AssadShirt bei einer Pressekonf­erenz erschienen.

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Fußball! Und Präsident Bashar al-Assad ist immer irgendwie dabei
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Seit Jänner wird in Aleppo wieder Liga gespielt (oben). Syriens Nationalte­am (rechts) zeigt internatio­nal auf

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