Brandstetter: Klientel-Politik, ade
Bildung. Für den Vizekanzler sind ÖVP und SPÖ bei der Reform „über den Schatten gesprungen“Thomas Szekeres dürfte neuer Chef der Ärztekammer werden
Fühlt er sich als stellvertretender Regierungschef?
So deutlich würde Wolfgang Brandstetter das so nie sagen, aber im kleinen Kreis lässt der von der ÖVP nominierte Justizminister durchaus durchblicken, dass er sich mit der neuen Berufsbezeichnung Vizekanzler noch immer nicht vollends angefreundet hat.
Die Zurückhaltung des Strafrechtsexperten hat gute Gründe. Denn tatsächlich musste er in den vergangenen Tagen mehr wie ein Abwickler und Mediator und weniger wie ein Kanzler-Stellvertreter agieren – zu klar waren die Verwerfungen zwischen SPÖ und ÖVP, zu offen wurden sie ausgelebt.
Damit soll nun aber endgültig Schluss sein. Denn für Brandstetter zeigt die zuletzt doch noch gelungene Einigung beim Bildungspaket, dass die Regierung handlungswillig und -fähig ist: „ÖVPund SPÖsind über ihren Schatten gesprungen“, sagt Brandstetter zum KURIER. „Beide Parteien haben den Geruch von reiner ,Klientel- Politik’ hinter sich gelassen und sind sich bei der Schulreform einig – und zwar nicht nur im Augenblick, sondern das wird aus meiner Sicht so bleiben.“
Damit die Reform Gesetz werden kann, müssen die Grünen die Zweidrittel-Mehrheit im Parlament sichern – ein im Detail mühevolles Unterfangen
Dessen ungeachtet glaubt Brandstetter daran, dass einige Projekte, die die Regierung in ihrem überarbeiteten Regierungspakt vereinbart hat, noch gute Chancen auf Verwirklichung haben: „Wir haben derzeit viele Bälle in der Luft, zwei Projekte sollten aber jedenfalls etwas werden: Im Juni wird das Strafrechtspaket mit größerem Schutz für Beamte und Schaffner beschlossen, und auch das Universitäten-Paket ist auf gutem Weg.“
Apropos: Nachdem die Rektoren Anfang Juni einen „Notfallplan“präsentiert haben, um den Betrieb der Hochschulen aufrecht zu erhalten, gibt sich Brandstetter verständnisvoll: „Ich unterstütze die Anliegen der Rektoren, sie müssen wissen, mit welchen finanziellen Mitteln sie die nächsten drei Jahre rechnen können. Daher brauchen wir an Österreichs Hochschulen eine ,bedarfsorientierte Qualitätssicherung’, wie ich es nenne. Dazu gehört konkret, dass sich das Verhältnis zwischen der Zahl der Lehrenden und der Studenten klar verbessert.“ Standesvertretung. Wachablöse an der Spitze der Österreichischen Ärztekammer. Der bisherige Präsident Artur Wechselberger wird bei der Kammer-Vollversammlung am 23. Juni nicht mehr zur Wiederwahl antreten. „Für mich ist das schon längere Zeit gegessen“, sagt er.
Beste Chancen für seine Nachfolge hat Wiens Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres, dem erst vor Kurzem zum zweiten Mal das Kunststück gelungen ist, die Spitze der Landeskammer zu erobern, obwohl er bei der Kammerwahl davor nur auf Platz zwei gelandet war. Der 55-Jährige AKH-Mediziner gilt als gewiefter Taktiker, der in den vergangenen Jahren vor allem im Streit mit der Stadt Wien um die Gehälter der Spitalsärzte Zähigkeit bewiesen hatte. Im Zuge des erbitterten Konflikts stellte er 2015 seine SPÖ-Mitgliedschaft ruhend und trat im März dieses Jahres mit einer eigenen Liste zur Kammerwahl an. Zum möglichen Karriereschritt sagt Szekeres: „Es kann schon sein, dass ich gewählt werde. Ich würde nicht antreten, wenn ich mir nicht Chancen ausrechnen würde.“Wechselberger rechnet mit breiter Unterstützung für seinen möglichen Nachfolger. Oberösterreichs Kammerpräsident Niedermoser sagte seine Unterstützung bereits zu.