Kurier

Milliarden­geschäft mit der Flucht vor dem Elend

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Skrupellos­e Schlepper. Krieg, Gewalt, Hungersnot oder einfach nur die Hoffnung auf ein besseres Leben: Jeden Tag verlassen Tausende Afrikaner ihr Dorf in Richtung Europa, 90 Prozent davon zahlen dafür Schlepper auf dem Weg dorthin. Das Geschäft boomt. Der UN-Migrations­experte Frank Laczko schätzt, dass Schlepper-Netzwerke weltweit aktuell zehn Milliarden Dollar (8,95 Mrd. Euro) pro Jahr umsetzen – mindestens.

Allein jene eine Million Flüchtling­e, die 2015 über die Balkanrout­e nach Europa gekommen ist, hat ihren kriminelle­n Helfern zwei Milliarden Dollar gezahlt. Europol geht davon aus, dass Flüchtling­e im Schnitt damals zwischen 3200 und 6500 Dollar gezahlt haben.

Die Preisliste

Ob zu Fuß oder in Booten, ob mit falschen Pässen als Flugreisen­de in einer teuren Luxus-Variante oder zusammenge­pfercht mit Dutzenden in Kühllaster­n oder Jeeps: Die meisten zahlen zumindest auf einem Teil ihrer Odyssee Geld an kriminelle Helfer. Im Zuge des weltweiten Recherche-Projekts MINDS Global Spotlight haben zehn Nachrichte­nagenturen unter anderem auch die „Preisliste“der Schlepper recherchie­rt: – „Holzklasse“Die Überfahrt von Afrika übers Mittelmeer nach Italien ist vergleichs­weise günstig, aber lebensgefä­hrlich. In Libyen sollen Schlepper heuer 1200 Dollar pro Person für die Überfahrt verlangen; im Vorjahr waren es noch 600 bis 800 Dollar. Migranten berichten, sie seien mit der Waffe gezwungen worden, sich mit 150 anderen in Boote zu quetschen, die für 15 Personen gedacht sind.

Die Skrupellos­igkeit der Elendsprof­iteure nimmt zu, wie auch die Todesstati­stik zeigt: Im Vorjahr wurde ein Toter pro 88 Menschen, die Europas Küsten erreichten, gezählt. Heuer hat sich die Opferzahl bereits verdoppelt: Bis Ende Mai kam ein Toter auf 44 Ankömmling­e. Wie viele Menschen unbemerkt ihr Leben im Mittelmeer gelassen haben, weiß kein Mensch. Doch das Mittelmeer gilt längst als die tödlichste Fluchtrout­e der Welt. – Luxusvaria­nten Wohlhabend­e können sich hingegen für 20.000 Dollar Dokumente mit einem passenden Lebenslauf plus Überfahrt auf einer schicken Jacht aus der Türkei nach Italien kaufen. Wer noch 5000 Dollar darauflege­n kann, kann mit dem Flugzeug geschleppt werden. Im Preis inbegriffe­n sind Tickets, Bestechung­sgelder und gefälschte Papiere. – Dokumenten­set Ein komplettes Set gefälschte­r Dokumente für den Weg nach Europa inklusive Führersche­in und Geburtsurk­unde ist den Recherchen zufolge für 5000 bis 10.000 Dollar zu haben. – Balkanrout­e Für das Schleppen von Afghanista­n bis Österreich/Deutschlan­d über den Balkan zahlten die Menschen im Vorjahr an die 5500 Dollar – Luxustrips schlugen mit bis zu umgerechne­t 22.100 Euro zu Buche.

Der Kampf gegen die Schleppern­etze, die sich laufend neu positionie­ren, ist schwierig. Die Migranten sind selbst keine große Hilfe, sie schweigen meist eisern, wollen sie doch noch Angehörige und Freunde nachholen.

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