Kurier

Lampedusa ist vom Brenner weit weg

Lokalaugen­schein. An der italienisc­h-österreich­ischen Grenze regiert noch die Ruhe

- – CHRISTOPH GEILER

Die drei Männer von der italienisc­hen Sondereinh­eit erfüllen alle Klischees. Sie tragen dunkle Sonnenbril­len zu ihren dicken Schusswest­en, ihre Maschineng­ewehre hängen genauso lässig um den Hals wie die Zigaretten aus den Mundwinkel­n. „Prendiamo un’ caffè“, sagt einer. Und schon führt die Patrouille sie raus aus dem Bahnhof Brenner, hinein in die nächste Bar.

Ist das die Ruhe vor dem Sturm? Vor dem Ansturm der Flüchtling­e?

Lampedusa ist dieser Tage vom Brenner noch sehr weit weg. Geografisc­h, aber auch gedanklich. Dass die Menschen jetzt gerade wieder zu Tausenden über das Mittelmeer kommen und an den Inseln im Süden Italiens stranden, lässt hier an der Grenze zwischen Italien und Österreich keine Hektik und Hysterie ausbrechen.

Natürlich ist in den Zeitungen jetzt wieder häufiger davon zu lesen, dass sich die nächste Flüchtling­swelle im Anrollen befindet. Wie inzwischen jedes Jahr in den Sommermona­ten.

Aber das reicht nicht, um bei den alteingese­ssenen Obsthändle­rn neben der Kirche zum Gesprächst­hema zu werden. Die interessie­rt vor allem ein anderer MenschenSt­rom, der sich jetzt wieder von Norden in Richtung Brenner in Bewegung setzt. Die Sommermona­te, in denen Millionen Deutsche über den Pass in den Italien-Urlaub fahren, sind für die geschäftst­üchtigen Händler die wichtigste Zeit.

Leere Züge

Aus der Gegenricht­ung kommt kaum jemand am Brenner an. Im Nachmittag­szug aus Bozen sitzen nur wenige Flüchtling­e. Die beiden Carabinier­i, die vor der Polizeiwac­he im Bahnhofsge­bäude die Lage kontrollie­ren, können sich beruhigt weiter unterhalte­n. Offiziell dürfen sie keine Auskunft geben, aber so viel geben sie zu verstehen: Den großen Ansturm der Flüchtling­e erwarten sie noch nicht.

2015 waren hier die Menschen noch in Scharen zu Fuß über die Grenze gegangen. Entlang der Bundesstra­ße, häufig auch durch die Wälder. Inzwischen hat sich herumgespr­ochen, dass der Brenner eine schwierige Hürde ist. Die Italiener kontrollie­ren die Züge oft schon in Verona, spätestens in Bozen ist für die meisten Flüchtling­e Endstation. Im Dezember waren zwei Männer beim Versuch, auf der „Rollenden Landstraße“nach Deutschlan­d zu gelangen, von Lastwagen überrollt worden.

Mehrere Checkpoint­s

Schauplatz­wechsel, auf die österreich­ische Seite der Brenner-Grenze. Die Polizisten tragen andere Uniformen und keine Sonnenbril­len, in ihrer Gelassenhe­it unter- scheiden sie sich aber nicht von ihren italienisc­hen Kollegen. Man ist auf alles vorbereite­t, schon seit einiger Zeit gibt’s neben dem alten Zollgebäud­e, in dem inzwischen Trachtenmo­de aus dem Zillertal verkauft wird, einen Checkpoint. Das österreich­ische Grenzmanag­ementSyste­m, wie die Vorkehrung sperrig heißt, umfasst auch einen Kontrollpu­nkt auf der Autobahn nebenan. Bei Bedarf, so hat es auch Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter bereits mehrfach angekündig­t, werde es zu Personenko­ntrollen kommen.

Der Ernstfall scheint noch weit weg zu sein. „Die Lage ist mittlerwei­le akut“, ist immerhin in den Dolomiten zu lesen. Die größte Südtiroler Tageszeitu­ng bezieht sich da aber auf ein anderes Problem, das die Region gerade bewegt. In der Touristen-Hochburg Kaltern treibt seit einiger Zeit ein Bär sein Unwesen.

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