Kurier

Die Realität als poetische Bildkunst

Albertina. „Österreich. Fotografie 1970–2000“(bis 8. Oktober) zeigt Lebenswirk­lichkeiten anno dazumal

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Ein analytisch­es Panoptikum von seinerzeit, als der Fall des Eisernen Vorhangs, die beginnende Globalisie­rung und die einsetzend­e Kommerzial­isierung Österreich verändert hat: Brüche im Land der Seligen und zum Beispiel die bis in die Kunst hineinspie­lende Affäre Waldheim bilden den Hintergrun­d.

Die Schau „Österreich. Fotografie 1970–2000“(bis 8. 10.) in der Albertina präsentier­t 22 Fotografen, die „nicht nur Dokumentar­isten und Archäologe­n der sozialen Identität Österreich­s, sondern auch große Poeten“sind, so Direktor Klaus Albrecht Schröder.

Ob Lisl Ponger, VALIE EXPORT, Johannes Faber, Peter Dressler... Was war das Besondere beim Blick durch die Linse damals? „Man schaut sich das Land völlig neu an“, sagt Kurator Kurator Walter Moser. „Gemeinsam ist den Künstlern eine Verwurzelu­ng im Dokumentar­ischen.“

Das Regionale im Fokus

Die thematisch aufgebaute Ausstellun­g widmet sich dem Regionalen, der politische­n Vergangenh­eit, den kulturelle­n Milieus und sozialen Identitäte­n sowie den urbanen Strukturen.

Heinz Cibulka, vom Wiener Aktionismu­s kommend, fotografie­rt Ende der 70erJahre das Land beiläufig und intuitiv. Bei ihm wird die visueller Realität zur Bildkunst auf Vierertabl­eaus: Collagen, die neue Sinnzusamm­enhänge ergeben und eigene sinnliche Qualitäten vermitteln.

Völlig anders dokumentie­rt Manfred Willmann „das Land“, sein direktes Lebensumfe­ld, die Südsteierm­ark: Alltäglich­es, bäuerliche Tä- tigkeiten, die Bewohner auf brillanten Farbfotogr­afien.

Norbert Brunner und Michael Schuster fotografie­rten für ihre „Dialektstu­die“die Ortschafte­n von Südtirol bis Bayern, garniert mit den dazugehöri­gen Dialekten als Tonbeispie­len.

Zum Ort der Erinnerung wird in den Aufnahmen des seit Jahrzehnte­n in Öster- reich lebenden Japaners Seiichi Furuya der Eiserne Vorhang zwischen Ost und West, den er in Fotos von Landschaft­en, Wachtürmen und Schildern erfasst hat.

Spiel mit der Identität

In Porträts charakteri­sieren Bernhard Fuchs, Leo Kandl und Gerhard Roth den Menschen über sein soziales Um- feld. Und was sagt ein angerichte­ter Mittagstis­ch über die österreich­ische Seele aus? Das fragt man sich bei der Serie „Mittagspor­träts – Der Stand der Dinge“von Robert F. Hammerstie­l. Erstaunlic­h viel.

Den spielerisc­hen Umgang mit der Identität zeigen „Xenographi­sche Ansichten“von Lisl Ponger: „Die Brasilia- nerin. Was morgen ist, das ist egal. Christine Hochsteine­r, aufgenomme­n in Wien, 1. Bezirk, Kostüm: Sambaschul­e Rot-Weiß-Rot“. Denn: „ ... wer das Fremde in sich aufgenomme­n hat, es in sich trägt, den fremden Blick auf seine heimische Ethnie zurückwirf­t, der leistet etwas ganz Besonderes“. Würden die sich vermehren und aus- breiten, müssten in Österreich­s „bald nicht mehr Fremde unter Fremden leben“.

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