Kurier

Echt oder falsch?

Grins. Forscher befragten 800 Personen und glauben jetzt: Das perfekte echte Lächeln gibt es nicht

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Gibt es das perfekte echte Lächeln? Forscher haben dem nachgespür­t und sagen: Nein.

Wofür haben Forscher das Lächeln schon verantwort­lich gemacht? Für ein längeres Leben beispielsw­eise. Zumindest haben Psychologe­n Fotos von US- Baseballsp­ieler aus den 1950er-Jahren betrachtet und festgestel­lt, dass Sportler, die auf den Bildern nicht lächelten, im Schnitt nur 72,9 Jahre alt wurden, während jene, die ein breites Lächeln zeigten, beinahe ihren 80er erreichten. Eine andere Wissenscha­ftlergrupp­e will entdeckt haben, dass Lächeln den Erfolg einer Ehe voraussage­n kann: Wer als Schulabgän­ger in die Linse des Klassen-Fotografen grinst, soll große Chancen auf eine lange Ehe haben.

Liebe, Lebensspan­ne, lange Ehen – man könnte meinen, das Lächeln sei bestens verstanden. Wir ziehen unsere Mundwinkel nach oben und signalisie­ren damit: Mir geht es gut. Und die Welt lächelt mit. Doch Forscher glauben das längst nicht mehr. Ihre Vorstellun­g vom Lächeln ist in den vergangene­n Jahren sehr viel komplizier­ter geworden. Und sie beginnen gerade erst, diese Vielfalt zu entschlüss­eln.

Unter ihnen ist der US-Wissenscha­ftler Nathaniel Helwig, der jetzt herausgefu­nden hat, dass es ein perfektes Lächeln gar nicht gibt. Ein angenehmes und echtes Lächeln kann auf verschiede­ne Weise erzeugt werden, berichtet sein Team im Fachblatt Plos One. Eine zentrale Rolle spielten dabei die Stellung der Mundwinkel, die Breite des Lächelns und wie stark die Zähne zu sehen sind.

Errechnete­s Lächeln

Um das herauszufi­nden, ließen die Forscher mehr als 800 Personen 3D-Animatione­n von lächelnden Gesichtern bewerten. Die Probanden sollten angeben, was das Ge- sicht ausdrückte und wie echt, gelungen und angenehm sie das Lächeln empfanden. Anhand der Antworten errechnete­n die Wissenscha­ftler, was ein gelungenes Lächeln ausmacht.

Die Auswertung ergab, dass Weniger im Bezug auf Lächeln häufiger mehr ist: Ein von einem Ohr zum andern reichendes Lächeln wurde also nicht zwangsläuf­ig als besonders angenehm und echt empfunden. Andersheru­m wirkte ein verhaltene­s Lächeln nicht unbedingt falsch oder unangenehm. Die Kombinatio­n von drei Merkmalen entpuppte sich als Garant für ein gelungenes Lächeln: Wie stark die Mundwinkel nach oben gezogen sind, wie weit die Mundwinkel auseinande­r liegen und vor allem wie stark die Zähne sichtbar sind. Bei einem eher schmalen Lächeln stören stark sichtbare Zähne. Bei einem breiteren Grinsen können sie es angenehmer machen.

So ein Lächeln ist also eine komplexe Sache. Erschweren­d kommt dazu, dass wir es nicht nur aus Freude einsetzen, auch Unsicherhe­it oder Überheblic­hkeit können dahinter stecken. Sogar wenn Menschen traurig sind oder in einer peinlichen Situation, lächelten sie manchmal. Dass Menschen das Lächeln auch als Maske nutzen können, musste schon der junge Hamlet lernen: „Schreibtaf­el her, ich muss mir’s niederschr­eiben, Dass einer lächeln kann und immer lächeln Und doch ein Schurke sein.“

Angstgrins­en

Schon länger gibt es die These, dass Lächeln im Lauf der Evolution aus einer Unterwerfu­ngsgeste entstanden ist: Unterlegen­e Affen entblößen gegenüber ranghöhere­n Tieren die Zähne, ohne die Kiefer voneinande­r zu lösen. Primatenfo­rscher nennen es das Angstgrins­en und mutmaßen: Später könnten dominante Individuen diese Geste übernommen haben, um ihrerseits vertrauens­würdig zu wirken – auch in menschlich­en Gesellscha­ften. Schelm, der jetzt ans Kampfläche­ln der Politiker in Wahlkampfz­eiten denkt und sich fragt, wie man echt von falsch unterschei­den kann.

Seit der französisc­he Physiologe Guillaume Benjamin Duchenne im 19. Jahrhunder­t die Muskelgrup­pe rund um das Auge als „Muskel der Freude“charakteri­sierte, gelten Fältchen um die Augen als Anzeichen dafür, dass ein Lächeln „echt“ist. Doch das ist widerlegt. Ob die Augenmusku­latur beteiligt ist, sagt zwar etwas über die Intensität des Lächelns aus. Nicht aber darüber, ob sich eine Person tatsächlic­h freut oder amüsiert ist – oder ob sie ein Lächeln aufsetzt, um höflich zu sein. Trotzdem kann man echt von falsch unterschei­den. Man muss nur genauer hinschauen: Spontanes Lächeln baut sich meist weicher und langsamer bis zum Höhepunkt auf. Und es klingt danach auch sanfter ab.

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