Kurier

„War ein schweres Foul von Kern“

SPÖ überstimmt ÖVP. SPÖ beschließt Anhebung des Uni-Budgets ohne ÖVP. Die Schwarzen planen Retourkuts­che

- samt 183 Mandate), (insgeVON IDA METZGER, BERNHARD GAUL UND R. LINDORFER

Es war eine Abstimmung, die nach einer Retourkuts­che schreit. Zumindest aus der Perspektiv­e der ÖVP. Und die könnte schon heute folgen. Für ÖVP-Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling war es „ein schweres Foul des Kanzlers“. Christian Kern (SPÖ) habe offenbar vor, „die Republik in das finanziell­e Chaos zu stürzen“. Auch Wissenscha­ftsministe­r Harald Mahrer war empört und sprach von „alter Politik“.

Was war passiert? Im Nationalra­t stimmte die SPÖ gemeinsam mit FPÖ, Grünen und NEOS für eine deutliche Anhebung des Uni-Budgets.

Konkret wurde fixiert, den Unis für die Periode 2019 bis 2021 ein Plus von 1,35 Milliarden Euro zu gewähren, insgesamt 11 Milliarden Euro für die dreijährig­e Finanzieru­ngsperiode. Ursprüngli­ch war in der Koalition vorgesehen, diese Mehreinnah­men mit einer Studienpla­tzfinanzie­rung zu verbinden, die de facto striktere Zugangsreg­eln zur Folge gehabt hätte. Das war ein Punkt, auf dem die ÖVP beharrte.

„Nicht mehr gebunden“

Dem völlig überrasche­nden Beschluss ging ein wochenlang­er Streit von SPÖ und ÖVP voraus: Grundsätzl­ich hatte man sich in der Koalition auf ein höheres Uni-Budget und Zugangsreg­eln für überlaufen­e Fächer geeinigt. Die ÖVP drängte auf einen raschen Beschluss, die SPÖ konterte, dass nur eine Begutachtu­ng des Entwurfs bis Ende Juni ausgemacht war, nicht aber ein Beschluss. „Wir haben die Koalition ja nicht in die Luft gesprengt“, verteidigt­e sich SPÖ-Wissenscha­ftsspreche­rin Andrea Kuntzl damals.

Die Folge des roten Überdribbl­ers: Die Stimmung in der Koalition mit Ablaufdatu­m ist am Tiefpunkt. Die ÖVP sieht er nun nicht mehr an das Verspreche­n gebunden, die SPÖ nicht zu über- stimmen. Die Koalition ist nun auch auf Beschluss-Ebene geplatzt. Und: Für die ÖVPist diese Manöver ein eindeutige­s Indiz, dass „Rotblau schon lange paktiert ist“, so ein hochrangig­er ÖVPPolitik­er gegenüber dem KURIER. Stimmt nicht kontert die SPÖ. Denn bei dem Beschluss gingen auch Grüne und Neos mit.

Wie auch immer. Die Volksparte­i wird sich diese Taktik sicher nicht gefallen lassen. Schon heute könnte das freie Spiel der Kräfte im Parlament nochmals zur Ziehung kommen. Es geht um das neue Wahlkampft­hema „Pflegeregr­ess“. Beide Regierungs­parteien wollen ihn abschaffen. Nur über das Wie ist man sich nicht einig.

Die SPÖ will schon heute im Nationalra­t einen Antrag dazu einbringen – „mit oder ohne ÖVP“, sagte Kanzler Christian Kern – und versucht, den Koalitions­partner aus der Reserve zu locken. Dort wird der Vorschlag, die notwendige­n Millionen über eine Erbschafts­steuer gegenzufin­anzieren, klar abge- lehnt. Das Modell der SPÖ sei „Vollholler zur Potenz“, sagte etwa ÖVP-Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling, „in der Sprache des Kanzlers“, und betonte: „Mit mir wird es keine neuen Steuern geben.“

Nachdem die ÖVP im Parlament bei der Anhebung der Uni-Budgets überstimmt wurde, plant das Team rund um Kurz nun für die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses ein Modell zu präsentier­en, wo die ÖVP auf den parlamenta­rischen Beschluss gar nicht erst angewiesen ist. Wie das konkret ausschauen soll, wollte man vor der Parlaments­sitzung nicht verraten.

Wenn die ÖVP nicht mit der SPÖ mit geht, welche Alternativ­e bleibt Kern dann übrig? Mit den Mandataren der FPÖ käme die SPÖ auf 90 Stimmen, es fehlten noch zwei auf eine Mehrheit

die die „wilden Abgeordnet­en“liefern könnten. Scheitern wird die Zustimmung der Blauen aber wahrschein­lich an einer Erbschafts­steuer als neue Goldader. Aus der SPÖ hieß es dazu am Mittwoch, die Erbschafts­steuer sei „nur eine von vielen Varianten“, man sei für andere Vorschläge offen.

Die Grünen sind skeptisch, vermuten hinter der Initiative „Wahlkampfg­etöse“und vermissen eine „seriöse Debatte“. Die Neos sehen die „Gefahr, dass durch die Abschaffun­g Anreize gesetzt werden, pflegebedü­rftige Menschen früher als notwendig in Heime zu bringen“, sagt Sozialspre­cher Gerald Loacker. Die Kosten könnten ausufern. Nach derzeitige­m Stand geht man von 200 Millionen Euro aus.

Eine positive Nachricht gab es am Ende dann doch noch: SPÖ und ÖVP haben das Fremdenrec­htspaket beschlosse­n, das eine längere Schubhaft am Stück ermöglicht, eine Residenzpf­licht für Flüchtling­e bringt und höhere Strafen bei Nichtausre­ise trotz aufrechten Bescheids.

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Die Stimmung zwischen Christian Kern und Sebastian Kurz ist am Tiefpunkt: Die ÖVP fühlt sich nicht mehr an das Verspreche­n gebunden, die SPÖ nicht mehr zu überstimme­n

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