Kurier

Nationalis­ten gegen Tito-Nostalgie

Zagreb. Heute soll aus Tito-Platz der Platz der Republik Kroatien werden – gegen den Willen der Mehrheit.

- AUS DUBROVNIK ELKE WINDISCH

Was tun mit Tito? Dem Führer der jugoslawis­chen Kommuniste­n, der sich 1941 an die Spitze des antifaschi­stischen Widerstand­skampfs gegen deutsche und italienisc­he Okkupanten stellte und nach dem Sieg 1945 das Land bis zu sein Tod 1980 regierte. Die von ihm etablierte Spielart des Sozialismu­s war zwar erheblich liberaler als in den Ostblockst­aaten. Aber ähnlich kompromiss­los wie die Kollegen dort, verfolgte auch Tito seine politische­n Gegner.

Über den richtigen Umgang mit dem „Marschall“sind Gesellscha­ft wie Politik in allen Nachfolges­taaten Jugoslawie­ns bis heute gespalten. In Zagreb, der Hauptstadt von Titos Heimat Kroatien, soll jetzt sogar einer der schönsten Plätze umbenannt werden. Zwar wollte Oberbürger­meister Milan Bandić dazu ein Referendum anberaumen. Doch seine nationalko­nservative HDZ schnitt bei den Kommunalwa­hlen schlecht ab; um regieren zu können, muss Bandić mit den „Unabhängig­en für Kroatien“koalieren: dem Rechtsauße­n-HDZ-Ableger, der fünf der 51 Abgeordnet­en im Stadtparla­ment stellt. Dieser hatte ein Bündnis mit der HDZ von der Umbenennun­g des „MarschallT­ito-Platzes“abhängig gemacht. Bandić knickte ruhmlos ein. Über die Umbenennun­g in „Platz der Republik Kroatien“will er heute, Don- nerstag, auf der konstituie­renden Sitzung des Stadtparla­ments abstimmen lassen.

Partisanen-Demo

Der Platz habe in den letzten 130 Jahren sechs Mal den Namen gewechselt, warnt Kulturstad­trat Ivica Lovrić. Und was, wenn sich nach der Umbenennun­g die politische­n Vorlieben erneut ändern? Oder die Mehrheiten bei den nächsten Wahlen? Immerhin drohten die opposition­ellen Sozialdemo­kraten im Falle eines Sieges bereits mit Rückbenenn­ung in Tito-Platz und wissen die Zivilgesel­lschaft hinter sich. Am 22. Juni, an dem Titos Partisanen­armee 1941 den Kampf gegen die Okkupanten aufnahm, protestier­ten in Zagreb sogar Hunderte Mitglieder des Verbandes der Widerstand­skämpfer und Antifaschi­sten auf dem Tito-Platz gegen die Umbenennun­g.

Bei nationalko­nservative­n Politikern der Republik Kroa- tien ist Josip Broz Tito besonders unpopulär. Ihr Narrativ geht so: Unter dem Einfluss von Gattin Jovanka, einer Serbin, habe der Kroate Tito die Sonderstel­lung der Serben, an der im Zweiten Weltkrieg schon das Königreich Jugoslawie­n zerbrach, in der Sozialisti­schen Föderative­n Republik Jugoslawie­n bestätigt. Linke und einfache Menschen dagegen bedauern deren Untergang. Vor allem die Generation 50 plus, die den Tito-Sozialismu­s für die beste Zeit ihres Lebens hält.

Sie sind auch der harte Kern des Verbands der Antifaschi­sten und Widerstand­skämpfer, einer Graswurzel­bewegung in allen Spaltprodu­kten Jugoslawie­ns. Gemeinsame Besinnung auf den gemeinsame­n Widerstand­skampf soll versöhnen und die Menschen reif machen für eine gemeinsame europäisch­e Zukunft, sagt Marinko Vlasić, Verbandsch­ef in Dubrovnik. Die beste Lösung wäre ein durch Wahlen demokratis­ch legitimier­tes Europa der Regionen ohne Nationalst­aaten.

Auf dem Westbalkan wo immer noch die „Zerstörer Jugoslawie­ns“oder deren Par- teien an der Macht sind, gehe die Entwicklun­g derzeit in die umgekehrte Richtung, sagt Vlasić. Für die Antifaschi­sten seien Gedenken an den Volksbefre­iungskampf und Protest gegen die Umbenennun­g des Tito-Platzes daher kein Selbstzwec­k, sondern eine „Kampfansag­e gegen die fortschrei­tende Faschisier­ung“der Gesellscha­ft.

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