Kurier

Schranken-Affäre: Lehrerin darf wieder arbeiten

Nach Entlassung. Laut Arbeitsger­icht hat sie alles getan, um die Kinder aus der Gefahrensi­tuation zu bringen.

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Ein Jahr ist es her, als ein Schulausfl­ug für vier Lehrerinne­n mit schweren Konsequenz­en endete: Um den Zug nicht zu verpassen, liefen 83 Volksschul­kinder aus Wien-Döbling unter den Schranken eines geschlosse­nen Bahnüberga­ngs in Leobendorf, Niederöste­rreich, durch. Als der Vorfall bekannt wurde, entließ der Wiener Stadtschul­rat die vier beteiligte­n Lehrerinne­n. Doch diese wehrten sich.

Und genau am „Jahrestag“gab es zumindest für eine der Pädagoginn­en eine gute Nachricht: Das Arbeitsger­icht entschied, dass die 42Jährige wieder beschäftig­t werden muss.

„Ich bin überglückl­ich, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräf­tig ist“, sagt die zweifache Mutter, die von Rechtsanwa­lt Gunter Österreich­er vertreten wird. Sie freue sich darauf, wieder mit Kindern arbeiten zu kön- nen. „Das Größte wäre es, wenn ich wieder an die Schule zurückkomm­en könnte.“

Ausgebreit­ete Arme

Die Ungewisshe­it hat die Frau nervlich mitgenomme­n. „Jetzt ist bestätigt worden, dass sie nichts falsch gemacht hat“, freut sich Anwalt Österreich­er. „Sie hat versucht, die Kinder zu schützen und hat sich mit ausgebreit­eten Armen auf den Bahnüberga­ng gestellt.“

Der Grund für den Zwischenfa­ll war Zeitnot. Nach einem Ausflug auf die Burg Kreuzenste­in war die Gruppe spät dran. Doch man wollte den Zug nach Wien unbedingt erwischen – er stand bereits in der Haltestell­e. Da gingen auch bereits die Schranken herunter. Weil kein nahender Zug wahrzunehm­en war, schlüpften einige Schüler im Laufschrit­t unter den Schranken durch.

Als die 42-Jährige das mitbekam, erkannte sie die gefährlich­e Situation. Und – so sah es das Arbeitsger­icht – sie entschied sich dafür, dass es am sichersten sei, eine möglichst rasche Überquerun­g der Eisenbahnk­reuzung der Kinder zu gewährleis­ten. Sie stellte sich auf die Gleise, kontrollie­rte, ob sich der angekündig­te Zug aus Wien näherte und forderte die Kinder auf, sich zu beeilen. Das, so meinte der Richter, sei in dieser heiklen Situation vertretbar gewesen. „Sie hat das in ihrer Lage Mögliche und Zumutbare getan, um die bereits vorhandene Gefährdung der Kinder möglichst gering zu halten und sie so rasch als möglich aus der Gefahrensi­tuation zu bringen.“

Alle Kinder kamen sicher auf die andere Seite. Wenig später allerdings fuhr der Eilzug aus Wien durch. Zu dem Zeitpunkt saßen die Schüler bereits im stehenden Zug nach Wien.

Abgeschlos­sen ist der Fall damit noch nicht. Das Verfahren einer weiteren Lehrerin läuft noch, eine hat einen Vergleich angenommen, und eine pragmatisi­erte Kollegin wurde nach einer Abmahnung versetzt.

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Vor einem Jahr lotsten Lehrer 83 Schüler unter den Schranken des Bahnüberga­ngs Leobendorf durch
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„Sie hat versucht, die Kinder zu schützen“: Anwalt Österreich­er

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