Einen Tag lang Bäcker sein
Plattform. Das Start-up Seeanoli hilft, den Alltag in völlig fremden Berufen kennenzulernen
Wollten Sie immer schon wissen, was genau eine FoodBloggerin, ein Upcycling Designer oder eine Burlesquetänzerin den ganzen Tag machen? Das Start-up Seeanoli spricht genau dieses Bedürfnis an und lädt ein, gemäß dem Motto „see another life“(„sieh dir ein anderes Leben an“) einen Blick in den Berufsalltag oder das Lieblingshobby eines Fremden zu werfen.
Blase verlassen
Gründer von Seeanoli ist der gebürtige Rheinländer Dirk Schwendt, der seit 15 Jahren in Wien lebt. Aus dem persönlichen Bedürfnis heraus, über den eigenen Tellerrand zu sehen und also die eigene „Blase“zu verlassen, ist Schwendt die Idee gekommen, eine Online-Plattform zu gründen, die so etwas möglichst einfach macht. Ein Erlebnis hat den Unternehmensberater besonders dazu ermutigt, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen: „Ein Schulfreund von mir ist Archäologe geworden. Ich bin mal mit ihm mitgegangen zu einer Ausgrabung. Das war faszinierend.“
Menschen, die anderen gerne Teile ihres Lebens näherbringen wollen, können sich bei Seeanoli als Gastgeber registrieren und ein Angebot für Interessierte erstellen, bei dem sie ein Besuchsprogramm und einen Preis dafür festlegen. Auf der OnlinePlattform kann man gezielt nach Angeboten in bestimmten Kategorien an bestimmten Orten suchen und gegen Bezahlung zum Gast werden. Laut Schwendt gibt es bei Gästen drei große Zielgruppen. Die erste umfasst jene, die nach beruflicher Orientierung suchen.
Beruf statt Fun-Sport
Die zweite Zielgruppe bezeichnet Schwendt als „Büromenschen, die ihren Horizont erweitern wollen und dabei nicht Fun-Sportarten ausprobieren wollen, sondern etwas, das mehr bodenständig ist“.
Die dritte Gruppe seien Touristen, die nach authentischen Erlebnissen suchen, „und nicht etwa in Wien eine Sisi-Tour machen wollen“. Auch bei den Gastgebern gebe es unterschiedliche Motivationen. Einerseits lässt sich mit Seeanoli Geld verdienen, außerdem kann man seine eigene Leidenschaft mit anderen teilen oder die Bekanntheit seines eigenen Jungunternehmens steigern. Andererseits könnte die Plattform als zusätzlicher „Recruiting“-Kanal gesehen werden, bei dem man mögliche künftige Arbeitskräfte in einer informellen Situation kennenlernen kann.
Was beim Durchsuchen des derzeitigen Angebots sofort auffällt: Viele der mo- mentanen Gastgeber sind Selbstständige. Laut Schwendt ergibt sich dieser Fokus natürlich: „Angestellte können nicht einfach Leute einladen. Prinzipiell könnten aber auch große Unternehmen bei Seeanoli mitmachen.“
Kein fixer Preis
Bei den Preisen für die „see another life“-Abenteuer gibt es derzeit noch große Unterschiede. „Das ist ein Entwicklungsthema. Es ist eine Dienstleistung, die es so noch nicht gegeben hat. Ich berate Gastgeber dabei ger- ne“, meint Schwendt. „Der Gastgeber kann Erfahrungen sammeln und den Preis jederzeit ändern.“Der PortalBetreiber streicht bei jeder Buchung einen Betrag von 30 Euro ein. „Ich wollte absichtlich keinen Prozentanteil festlegen. So kann man nicht sagen, das Portal ermutige zu hohen Preisen.“
Bislang hat Schwendt Seeanoli komplett aus eigenen Mitteln finanziert. Die Firma wurde 2016 gegründet. Derzeit bemüht sich Schwendt, das Angebot zu vergrößern, neben Österreich auch in Deutschland.