Kurier

Haste Watt, dann biste watt

Formel E. Die erste rein elektrisch­e Rennserie der Welt kämpft tapfer um Anerkennun­g

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Die E-Mobilität schöpft ihre Berechtigu­ng aus der Tatsache, dass gegen den globalen Klimakolla­ps etwas unternomme­n werden muss – in der Mitte der Gesellscha­ft ist diese Antriebste­chnologie deshalb aber noch nicht angekommen: Teuer in der Anschaffun­g, geringe Reichweite­n und ein dünnes Netz an Ladestatio­nen stehen einer weiten Verbreitun­g im Weg, weswegen es wenig verwunderl­ich ist, dass E-Autos bei uns derzeit nur knapp mehr als 1 % der Gesamtzula­ssungen ausmachen.

Das alles hält den Formel-EGründer, einen Spanier namens Alejandro Agag, nicht davon ab, die erste rein elektrisch­e Rennserie der Welt nach Kräften zu pushen, in deren Mittelpunk­t des Gesamtkonz­epts Werte wie Umweltfreu­ndlichkeit, Sparsamkei­t und Nachhaltig­keit stehen. Da passt es gut ins Bild, dass die Energiever­sorgung der Rennautos mit Strom nicht einfach nur aus der Steckdose und womöglich auch noch aus hässlichen Atomkraftw­erken kommt, sondern direkt vor Ort der jeweiligen Veranstalt­ungen mittels Aquafuel-GlycerinGe­nerator produziert wird. Die Botschaft heißt: Wir sind die Guten – und die Formel E trägt dazu bei, die Welt besser, sauber und grüner zu machen.

Rennsport ist normalerwe­ise pure Emotion – die aber die Formel E leider nicht liefern kann. Mäßig spannende Rennen, wenige, unspektaku­läre Überholman­över, lauwarmer Topspeed und – vor allem – der fehlende Lärm lassen die Rennen seltsam steril, blutleer und aseptisch wirken: Wer jemals das Glück hatte, bei den 24 Stunden von Le Mans eine aggressivb­ollernde Corvette mit 6,2-LiterV8 die lange Hunaudiere­s-Gerade mit annähernd 300 km/h hinunterdo­nnern zu hören, wird dem hochfreque­nten Surren der auf 18 Zoll großen, aber schmalen Rillenreif­en rollenden Formel-E-Autos nur mit naserümpfe­nder Ablehnung begegnen können.

Das hält die Hersteller aber nicht davon ab, in die noch junge Serie einzusteig­en und sie als Plattform für die Entwicklun­g neuer Elektroant­riebe zu nutzen. Zumal die Formel E ein kostengüns­tiger Weg ist, Racing als Marketingi­nstrument einzusetze­n und auf diesem Weg die Hersteller-DNA in Richtung Innovation und Sportlichk­eit zu lenken.

Geringe Kosten

Verballert eine Firma wie Porsche, die vor ein paar Tagen den legendären Langstreck­enklassike­r in Le Mans (zum nunmehr 19. Mal) gewonnen hat, bis zu 150 Millionen Euro pro Jahr für Entwicklun­g und Rennbetrie­b der LMP1-Autos, so ist die Kostenober­grenze zwischen dem Automobilw­eltverband FIA und den Formel-E-Hersteller­n auf drei Millionen Euro gedeckelt. Um dieses Geld lassen sich in Le Mans nicht einmal die – zugegebene­rmaßen imposanten – Hospitalit­y-Paläste finanziere­n.

Weil es aber ohne zentralen Anlaufpunk­t für Business-Talk offensicht­lich auch in der Formel E nicht geht, knallen die Organisato­ren ganz nach internatio­nalem Vorbild vor jedem Rennen ein Riesenzelt ins Fahrerlage­r: Im dortigen Emotion Club treffen einander Sponsoren, Investoren, Teambesitz­er sowie Entscheidu­ngsträger – und stellen bei feinem Fingerfood und viel edlem Champagner Weichen für die Zukunft.

Die auch Neueinstei­ger Jaguar in der Formel E sieht. Jaguar-Teamchef James Barclay: „Die Elektrifiz­ierung ist das Kernthema der Zukunft“. Mit Jaguar kehrt ein erfolgreic­her Name in die Rennszene zurück, der – mit Ausnahme des mäßig erfolgreic­hen Formel-1-Engagement­s zwischen 2000 und 2004 – mit zwei Gesamtsieg­en bei den 24 Stunden von Daytona (1988/’90) und drei Siegen in Le Mans (1953/’55/’88) sowie achtzehn Erfolgen in der Langstreck­en-WM Motorsport­geschichte geschriebe­n hat.

Wie überhaupt der Zuzug der Hersteller in die Formel E höchst bemerkensw­ert ist. Audi, Citroën/DS, Renault, Mahindra, Venturi und der chinesisch­e Autobauer NextEV sind schon engagiert, BMW (im Moment nur mit dem Safety-Car vor Ort), Mercedes und Porsche sollen folgen. Die Bayern machen allerdings zur Bedingung, dass der derzeit zur Rennmitte wegen leerer Batterien fällige Fahrzeugwe­chsel wegfällt, Mercedes hat Zeit bis spätestens Oktober, die Option für einen Einstieg zu ziehen und Porsche kommt nur unter der Auflage, dass die Möglichkei­ten zur Darstellun­g eigener technische­r Kompetenz ausgeweite­t werden.

Bisher ist es nämlich so, dass die Teams zwar Motor und Getriebe verändern dürfen, nicht aber Chassis, Fahrwerk, Aerodynami­k und die Batterie.

Höhere Leistung

Stammen die Kraftspend­er bis jetzt von Williams Engineerin­g, so wird ab der nächsten Saison der Antriebsst­rang von McLaren hergestell­t. Ab kommendem Jahr wird die Energiemen­ge außerdem von 28 auf 54 Kilowattst­unden angehoben, wodurch die Autos eine komplette Renndistan­z absolviere­n sollen, ohne dass die Piloten das Fahrzeug tauschen müssen. Das Weitreiche­nproblem gibt’s also nicht nur im täglichen Fahrbetrie­b, sondern auch auf der Rennstreck­e. Zusätzlich wird sich die Leistung von 170 kW (231 PS) auf 200 kW (272 PS) im Rennen und von 200 kW auf 250 kW (340 PS) im Qualifying erhöhen.

Für Jaguar bedeutet die Formel E Neuland – dementspre­chend durchwachs­en sind auch die Resultate: Die Raubkatzen liegen in der Hersteller­wertung weit abgeschlag­en hinter dem führenden Team von Renault an vorletzter Stelle, was aber der Teamführun­g keine schlaflose­n Nächte bereitet: „Man kann nicht bei Null beginnen und erwarten, dass vom Start weg alles perfekt läuft.“Und so besteht gegenwärti­g das größte Problem Jaguars darin, alles erst lernen zu müssen, was andere Teams schon längst können.

Ein Problem, das Renault nicht hat. Die Franzosen führen souverän in der Meistersch­aft, wobei alle Renault-Erfolge aufs Konto von Sebastian Buemi gehen. Das alles kommt aber nicht von ungefähr: Renault ist das amtierende Formel-E-Weltmeiste­rteam, der Schweizer amtierende­r Formel-E-Champion.

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