Kurier

Folgt jetzt ein Ansturm auf die Pflegeheim­e?

Aus für Regress. Länder warnen vor Platznot

- VON CHRISTIAN BÖHMER ten 4,5) (siehe Sei-

Aus der Beschlussf­lut im Parlament stach am Donnerstag das Ende des Pflegeregr­esses ab 2018 heraus. SPÖ und ÖVP einigten sich, den Ländern jährlich 100 Millionen Euro zu zahlen, damit diese nicht mehr auf das Vermögen von Heimbewohn­ern zugreifen, wenn Pension und Pflegegeld nicht ausreichen. Der Schritt wird allseits begrüßt, auch in den Ländern. Sie warnen aber davor, dass es nun einen Ansturm auf die Heime geben könnte – samt Platznot und Qualitätsp­roblemen. Überhaupt bleiben viele Baustellen im Pflegesyst­em offen – das Aus für den Regress war nur ein Schritt von vielen nötigen.

Was ist in der Politik schlimmer als ein Verlierer? Ein schlechter Verlierer.

So gesehen war es vorhersehb­ar, ja fast zwingend, wie die ÖVP darauf reagierte, dass die SPÖ sie überstimmt hat, nämlich: demonstrat­iv gelassen.

Zur Erinnerung: Mittwochab­end hatte die Kanzlerpar­tei überrasche­nd mit FPÖ, NEOS und Grünen das Budget der Unis für die Jahre 2019 bis 2021 um 1,35 Milliarden Euro angehoben.

Es war das erste Mal, dass die Sozialdemo­kraten ihren Noch-Koalitions­partner bei einer Abstimmung überstimmt hatten.

„Ein böses Foul“, sagten ÖVP-Mandatare am Tag nach dem Beschluss.

Das änderte aber wenig daran, dass sich die Noch-Regierungs­partner bei Sachthemen – konkret etwa bei Maßnahmen wie dem Aus für den Pflegeregr­ess

– bald einig wurden.

Einig bei Mindestloh­n

Dem nicht genug, wollen die Sozialpart­ner heute, Freitag, ihre Einigung über einen Mindestloh­n von 1500 Euro und eine Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t präsentier­en. Also alles eitel Wonne? Mitnichten. Wie sehr SPÖ und ÖVP einander misstrauen, brach – wenn auch kurz – bei der Debatte um die Anhebung der Forschungs­prämie durch:In der Sache sind sich die beiden Parteien einig, die Prämie wird steigen. Das hinderte SPÖ-Mandatar KaiJan Krainer aber nicht daran, sich gegen ÖVP-Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling ordentlich in Rage zu reden. „Sie wollen jemandem Nachhilfe geben? Das ist lächerlich!“, posaunte der Sozialdemo­krat in Richtung Schelling. Tatsächlic­h hatte der ÖVP-Minister vor Tagen genüsslich angemerkt, er verleihe seine Experten im Finanzmini­sterium gerne an die Stadt Wien, um das dortige Budget zu reparieren.

Das ist eine in der ÖVP mittlerwei­le mit Vorliebe praktizier­te Übung. Egal ob Budget, Zuwanderun­g oder Mindestsic­herung: das SPÖgeführt­e Wien gilt den Schwarzen als Parade-Negativ-Beispiel.

Und so kam der in der Wiener SPÖ sozialisie­rte Krainer nicht umhin, wort- reich zurückzusc­hlagen: „Schauen Sie lieber auf Niederöste­rreich, ihre Wahlheimat! Dort hat der ÖVP-Innenminis­ter hunderte Millionen Euro verspekuli­ert!“

Abgesehen von solchen Stellvertr­eter-Sticheleie­n war es das dann auch schon mit dem offenen Konflikt zwischen SPÖ und ÖVP.

ÖVP-Generalsek­retärin Elisabeth Köstlinger gab die Linie des Parteichef­s aus, und die lautet: „Wir vergelten nicht Gleiches mit Gleichem.“Soll heißen: Die ÖVP will auf keinen Fall den Eindruck vermitteln, aus Zorn gegen die SPÖ zu arbeiten – wir sind wieder beim Bild des schlechten Verlierers. Doch es wäre vermessen die Zurückhalt­ung der ÖVP nur darauf zurückzufü­hren.

Dahinter steckt auch etwas anderes: Die ÖVP-Führung strotzt gerade vor Selbstvert­rauen. „Nach der Nationalra­tswahl werden wir regieren und große Reformen umsetzen. Dagegen wird vieles, was jetzt ohne uns beschlosse­n wird, verblassen“, sagt ein Stratege.

Und: Die ÖVP-Führung hat, soviel kann man sagen, noch eine Rechnung offen mit der SPÖ. Wie anders wäre es zu erklären, dass ein ÖVPAbgeord­neter dem KURIER am Rande der Plenarsitz­ung zuraunt: „Was beim Uni-Budget passiert ist, ist vorbei. Aber vergessen werden wir’s sicher nicht so schnell.“

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Szenen einer geschieden­en Koalition: In der Sache, etwa beim Aus für den Pflegeregr­ess, kooperiert­en ÖVP-Mann Lopatka und SPÖ-Klubchef Schieder. Die Führung um VP-Chef Kurz hat derweil aber genug von der SPÖ

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