Folgt jetzt ein Ansturm auf die Pflegeheime?
Aus für Regress. Länder warnen vor Platznot
Aus der Beschlussflut im Parlament stach am Donnerstag das Ende des Pflegeregresses ab 2018 heraus. SPÖ und ÖVP einigten sich, den Ländern jährlich 100 Millionen Euro zu zahlen, damit diese nicht mehr auf das Vermögen von Heimbewohnern zugreifen, wenn Pension und Pflegegeld nicht ausreichen. Der Schritt wird allseits begrüßt, auch in den Ländern. Sie warnen aber davor, dass es nun einen Ansturm auf die Heime geben könnte – samt Platznot und Qualitätsproblemen. Überhaupt bleiben viele Baustellen im Pflegesystem offen – das Aus für den Regress war nur ein Schritt von vielen nötigen.
Was ist in der Politik schlimmer als ein Verlierer? Ein schlechter Verlierer.
So gesehen war es vorhersehbar, ja fast zwingend, wie die ÖVP darauf reagierte, dass die SPÖ sie überstimmt hat, nämlich: demonstrativ gelassen.
Zur Erinnerung: Mittwochabend hatte die Kanzlerpartei überraschend mit FPÖ, NEOS und Grünen das Budget der Unis für die Jahre 2019 bis 2021 um 1,35 Milliarden Euro angehoben.
Es war das erste Mal, dass die Sozialdemokraten ihren Noch-Koalitionspartner bei einer Abstimmung überstimmt hatten.
„Ein böses Foul“, sagten ÖVP-Mandatare am Tag nach dem Beschluss.
Das änderte aber wenig daran, dass sich die Noch-Regierungspartner bei Sachthemen – konkret etwa bei Maßnahmen wie dem Aus für den Pflegeregress
– bald einig wurden.
Einig bei Mindestlohn
Dem nicht genug, wollen die Sozialpartner heute, Freitag, ihre Einigung über einen Mindestlohn von 1500 Euro und eine Flexibilisierung der Arbeitszeit präsentieren. Also alles eitel Wonne? Mitnichten. Wie sehr SPÖ und ÖVP einander misstrauen, brach – wenn auch kurz – bei der Debatte um die Anhebung der Forschungsprämie durch:In der Sache sind sich die beiden Parteien einig, die Prämie wird steigen. Das hinderte SPÖ-Mandatar KaiJan Krainer aber nicht daran, sich gegen ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling ordentlich in Rage zu reden. „Sie wollen jemandem Nachhilfe geben? Das ist lächerlich!“, posaunte der Sozialdemokrat in Richtung Schelling. Tatsächlich hatte der ÖVP-Minister vor Tagen genüsslich angemerkt, er verleihe seine Experten im Finanzministerium gerne an die Stadt Wien, um das dortige Budget zu reparieren.
Das ist eine in der ÖVP mittlerweile mit Vorliebe praktizierte Übung. Egal ob Budget, Zuwanderung oder Mindestsicherung: das SPÖgeführte Wien gilt den Schwarzen als Parade-Negativ-Beispiel.
Und so kam der in der Wiener SPÖ sozialisierte Krainer nicht umhin, wort- reich zurückzuschlagen: „Schauen Sie lieber auf Niederösterreich, ihre Wahlheimat! Dort hat der ÖVP-Innenminister hunderte Millionen Euro verspekuliert!“
Abgesehen von solchen Stellvertreter-Sticheleien war es das dann auch schon mit dem offenen Konflikt zwischen SPÖ und ÖVP.
ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstlinger gab die Linie des Parteichefs aus, und die lautet: „Wir vergelten nicht Gleiches mit Gleichem.“Soll heißen: Die ÖVP will auf keinen Fall den Eindruck vermitteln, aus Zorn gegen die SPÖ zu arbeiten – wir sind wieder beim Bild des schlechten Verlierers. Doch es wäre vermessen die Zurückhaltung der ÖVP nur darauf zurückzuführen.
Dahinter steckt auch etwas anderes: Die ÖVP-Führung strotzt gerade vor Selbstvertrauen. „Nach der Nationalratswahl werden wir regieren und große Reformen umsetzen. Dagegen wird vieles, was jetzt ohne uns beschlossen wird, verblassen“, sagt ein Stratege.
Und: Die ÖVP-Führung hat, soviel kann man sagen, noch eine Rechnung offen mit der SPÖ. Wie anders wäre es zu erklären, dass ein ÖVPAbgeordneter dem KURIER am Rande der Plenarsitzung zuraunt: „Was beim Uni-Budget passiert ist, ist vorbei. Aber vergessen werden wir’s sicher nicht so schnell.“